Der frühe Vogel bekommt die Fähre

Nach einer sehr kurzen Nacht bei Sassnitz sollte mein Wecker um 06:00 Uhr klingeln – allerdings war ich dank erheblichem Lärm (ich hatte mein Zelt ungünstiger Weise direkt neben einer größeren Bahn- und Verkerstrecke aufgebaut, wie ich bei erstem Licht sehen konnte) bereits nach knappen drei Stunden schlaf um 05:00 Uhr wach.

Trotz der Müdigkeit baute ich rasch das Zelt ab, nachdem ich das Einpacken einmal bei mir in Heidelberg auf einem Rasenstück getestet hatte konnte ich beim zweiten Mal des falten der Planen gut zwanzig Minuten herumprobieren, bis alle Teile in die richtigen Tüten passten.

Danach packte wieder das Fahrrad und machte mich auf zu der Fähre. Auf den fünf Kilometern vom Übernachtungsort hin zur Fährhafen führte mich der Weg auf einem gut ausgebauten Fahrradweg durch einen Wald. In diesem Wald sprang auf einmal ein Reh direkt vor mir auf den Fahrradweg und lief rund 30 Meter mit mir, bevor es wieder in den Wald auf der anderen Seite des Weges sprang. Nach dieser Überraschung (ich unterschätze gerne, wenn ich mir über solche Wild-Bekannschaften nachdenke, wie groß solches Rotwild ist: Mindestens 1,3 Meter war das Tier groß, welches da vor mir her lief) fand ich noch einen Fuchs im Wald, welcher erstaunlich zutraulich war, sodass ich sogar ein Foto machen konnte.

Weiter ging es an den Fährhafen in Sassnitz, bei dem erst die Autospur von Fahrrädern und Fußgängern getrennt wird. Für die Fahrradfahrer geht es danach weiter auf das Fährhafengebiet, wobei bei mir das Befahren zuerst unmöglich gemacht wurde: Ein Güterzug wurde in diesem Moment entladen, zum Glück hatte ich noch etwas Zeit und konnte bei dem sehr freundlichen Entladungspersonal bitten, den Zug einmal kurz über den Straßenübergang zu bewegen und damit die Strecke frei zu machen.

Mit 85km/h über die Ostsee

So stand ich fünf Minuten vor offizieller Check-In-Zeit gegen 07:25 Uhr mit fünf weiteren Radfahrern, welche alle Tagesausflüge nach Ystad machen wollten, am Terminal Nord der Fährgesellschaft FRS Baltic.

Nicht-Autofahrer sind im Vorteil: Fußgänger und Fahrradfahrer bekommen eine tolle Aussicht auf den Hafen und die Fährre während dem Check-In

Nachdem wir Fahrradfahrer zuerst vor allen Fahrradfahrern auf die Fähre fahren konnten, ging es an das Verstauen des Gepäcks und das Anbinden des Fahrrads. Mit semi-funktionalen Spanngurten (bei den meisten war die Ratschfunktion nicht mehr funktionsfähig) banden wir die Fahrräder im Unterdeck der Fähre an einem Gestänge fest. Das Gepäck, welches ich nicht über das Schiff tragen wollte, klemmte ich zwischen dem Gestänge und dem Fahrrad ein. So war ein Umfallen und eventelles unters Auto rutschen sehr unwahrscheinlich.

Das angebundene Fahrrad auf der Fähre. Ich nahm nach dem Bild noch hinten das Gepäck herunter und verstaute es zwischen Fahrrad und dem hinteren Gestäge.

Mit meinem Rucksack begab ich mich bei dem 91 Meter langen Katamaran auf das Hinterdeck, um das restliche Aufladen der Autos noch beobachten zu können. Vollgestellt mit rund 200 Fahrzeugen machten wir uns auf aus Sassnitz, um in 2,5 Stunden Schweden zu erreichen.

Je weiter wir uns vom Festland entferneten, desto schneller wurden wir auch: Anfangs noch in einem sehr angenehmen „draußen-steh“-Tempo, bei dem der Fahrtwind sich noch nicht zu sehr bemerkbar machte, wurde es etwas weiter draußen so schnell, dass man sich (und sein Smartphone, wenn man Fotos oder Videos machen wollte) sehr gut festhalten sollte.

Mit dem 40.000 PS-Jet-Antrieb konnte sich die Fähre während der Überfahrt auf bis zu 88 km/h (GPS-Gemessen) beschleunigen und schnitt sich so durch das Wasser, Wellen oder ähnliches konnte ich kaum mehr bemerken.

Dieser FRS-Katamaran, der auf dem Weg zwischen Sassnitz und Ystad verkehrt und welchen ich genommen habe, hält mit einer Zeit von 2 Tagen, 17 Stunden und 59 Minuten den Rekord für die schnellste Transatlantiküberquerung, seit dem Aufstellen des Rekords 1998 ist dieser ungebrochen (die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 76 km/h bei dieser Überquerung).

Nachdem die deutsche Küste verlasssen wurde, machte der Duty-Free-Shop auf und viele Passagiere deckten sich mit alkoholischen Getränken ein: Mit Schwedens hohen Alkoholsteuern machte das Einkaufen gänzlich befreit von Mehrwertsteuern sehr attraktiv für Einwohner und Touristen des Landes.

Ich hielt mich dagegen fast die ganze Zeit auf dem Oberdeck auf und beschäftigte mich mit dem Nachholen von etwas Schlaf, den ich in der Nacht nicht bekommen hatte.

Ein Kurzschlaf (der moderne Anglizismus dafür lautet wohl „Powernap“) später war schon schweden zu erkennen am Horizont.

Da mir beim Boarding des Schiffes geraten wurde, früh mit dem „befreien“ und wiederbeladen des Fahrrads zu beginnen, begab ich mich frühzeitig auf das Unterdeck, wo ich mein Fahrrad und das Gepäck im gleichen Zustand wie beim Festmachen vorfand.

"Und das ist alles wirklich Fahrradweg?" - Die erste Tour in Schweden auf den besten Radwegen der Reise

Und so schnell war ich schon auf schwedischem Boden:

Noch nicht einmal zur Mittagszeit hatte ich schon eine Bäckerei in Ystad gefunden, die mir eine Zimtschnecke verkaufte. Dabei stellte ich mit etwas Entsetzen fest, dass Schweden nicht den Euro hat: Obwohl ich schon mehrmals in Schweden meine Ferien verbrachte, habe ich damals nie selber die Nahrungsversorgung unternommen. Ich hatte bei der ganzen Euro-Verwöhnung bei den letzten Reisen schlicht nicht darüber nachgedacht, das ja weit nicht alle Länder den Euro eingeführt haben.

Wie sich schnell herausstellte, war das Problem der Fremdwährung doch nicht solch ein so großes Problem wie gedacht: Überall, ja tatsächlich überall, kann mit Kredit- und EC-Karte problemlos gezahlt werden. Schweden ist in diesem Bereich Deutschland Jahre, wenn nicht Jahrzehnte voraus. Selbst an den kleinesten Marktständen kann man einfach kurz und unkompleziert Zahlen, ohne Mindestbeträge oder absurde Gebühren.

Nach der Zimt-Stärkung ging es für mich an das nächste Problem, nähmlich ein nicht mehr funktionierender Mobilfunk: Aus zu der Zeit noch schimmerhaften Gründen verband sich mein Smartphone mit meiner Daten-SIM (ich benutze das Gerät also im Dualsim-Modus) nur im Telefonie-Vertrag der Telekom mit dem Netz in Schweden.

Ich biss, da ich nicht direkt eine Lösung des Problems fand, über einen 50 MB-Tagestarif in meinem Telefonie-Vertrag mit der Telekom für 2,99 Euro mit dem Mobilfunk und lud mir die Strecke nach Malmö herunter. Etwas frustriert von der ganzen Mobilfunk-Thematik setzte ich mich für die ersten 100 Kilometer in Schweden auf das Fahrrad.

Auf den schönsten Radwegen der gesamten Reise geht es nach Malmö.
Was wohl nicht mit dem Mobilfunk stimmt? Über die eingebaute Diagnose kam ich dem Problem nicht auf die Schliche, dafür war dieses viel zu offensichtlich.

Die ersten 50 Kilometer ließen sich sehr angenehm fahren. Vor Trelleborg machte ich Rast bei einem Supermarkt, in dem ich mich nochmal tiefergehend mit dem Mobilfunk-Problem beschäftigte.

Ich telefonierte sogar einmal kurz mit dem Ausland-Support von Vodafone, meinem Datenanbieter, um dem Problem auf die schliche zu kommen. Da viel mir auf einmal die Problematik wie Schuppen von den Augen: Dank des Dualsim-Betriebs, mit dem ich bis dato noch nicht im Ausland unterwegs war, musste ich die Einstellung zum Daten-Roaming in den Einstellungen der E-Daten-Sim noch extra Aktivieren.

Damit konnte ich dann wieder mich in das exzellente skandinavische Mobilfunknetz einwählen und tiefenentspannt und mit neuem Wasser versogt nach Malmö fahren. Gegen 18:30 kam ich dort auch an, ich baute mein Zelt in einem Camp am Meer sehr schön gelegen auf und beschäftigte mich als nächstes mit einer in Schweden häufig mit sehr hohen Ausgaben verbundenen Fragen: Was will ich eingentlich essen?

Auf einem Volksfest in Malmö

Bei dem Suchen nach Essen lief ich länger am Strand von Malmö entlang, wo ich ein Volksfest fand. Nach zwei Jahren ohne Besuch auf einem Fest dieser Art konnte ich eine einzigartige Atmospähre wie auf diesem Fest wirklich Wertschätzen: Die Leute tanzten und fuhren Riesenrad, so als wäre Corona niemals existent gewesen.

Leider fand ich essensmäßig keinen Lichtblick auf dem Fest, da ich mich nicht bei dem ganzen Sport von typischer Volksfestnahrung wie Churros oder Würstchen ernähren wollte. Mein Weg führte weiter in die Stadt hinein, nach vier Kilometern fand ich dann eine Pizzaria, bei welcher ich eine mittelgroße Pizza für 149 schwedische Kronen kaufen konnte: Schlappe 15 Euro also, dafür hat die Pizza auch sehr gut geschmeckt. Aber das schweden sehr teuer zum Leben ist, wurde mir spätestens da richtig klar.

An der Küste Malmös in der Dämmerung

Nach drei Stunden kam ich in der Dämmerung wieder zum Zeltplatz, bei dem ich mich direkt in das Zelt legte, um den fehlenden Schlaf nachzuholen.