Ein Fahrradklau ist immer alles andere als optimal. Neben dem auf einmal entstehenden Mobilitätsproblem und dem möglicherweise finanziellen Schaden (bei mir rund 1.000 Euro), kam bei meinem KTM-Tourenfahrrad noch eine emotionale Komponente hinzu: Mein Fahrrad und ich haben schon viel erlebt. Von innerdeutschen Mehrtagestouren bis zu einer Reise entlang der skandinavischen Küste war ich wirklich schon viel unterwegs, sehr zufrieden mit dem KTM Life Tour, welches mich auf all diesen Touren treu begleitete. Deswegen war ich umso mehr bedrückt, als mir vergangenen Freitag (06. Mai 2022) am Heidelberger Hauptbahnhof mein Fahrrad geklaut wurde. Trotz dem guten Schloss, welches fest Rahmen, Vorderrad und Fahrradständer verbund, wurde das Schloss zerschnitten und mein Fahrrad entwendet.
Das Fahrrad und ein AirTag
Doch hatte ich zumindest ein Ass gegen so einen Fahrraddiebstahl im Ärmel:
Als vor einem Jahr die amerikanische Tech-Firma Apple ihr kleines Ortungsgerät „AirTag“ vorstellte, kamen schnell Ideen auf, diese kleinen, scheibenförmigen Objektfinder (insbesondere für Schlüssel konzipiert) an anderen Gegenständen zu montieren. Während die Hersteller von entsprechenden Halterungen des münzgroßen Trackers noch fleißig am vorbereiten des Verkaufs solchen Zubehörs waren, nutze ich einen 3D-Drucker um eine selbstentwickelte Halterung auszudrucken.
Der Haken an der AirTag-Geschichte ist jedoch, dass diese Tracker in der Vergangenheit auch für missbräuchliche Zwecke (z.B. Stalking) verwendet wurden – deswegen gibt es jetzt für dritte, mit denen sich das AirTag bewegt, schnell eine Nachricht, dass deren Standort für mich sichtbar ist. Somit ist der Wirkungsgrad bei einem Klau begrenzt, da die Diebe unter Umständen schnell erfahren können, dass der Standort des Fahrrads nicht geheim ist. Darüber hinaus wird direkt von Apple, sollte sich so ein AirTag mitbewegen, eine Möglichkeiten zum Lokalisieren des Airtags sowie deaktivieren gegeben. Zuletzt kann der Ort der AirTags nur dann genau bestimmt werden, wenn ein iPhone sich in der Nähe des Trackers befindet und so der Ort aktuallisiert werden kann. Einen GPS-Empfänger oder ähnliches besitzt ein AirTag nicht, die Ortung findet nur über das inzwischen sehr engmaschige Netzwerk aus Applegeräten statt, die sich Gegenseitig finden können.
Der Zweck der AirTags ist also primär, verlorende Gegenstände wiederzufinden – nicht, Dieben auf die Spur zu kommen.
Quo vadis, AirTag?
Nachdem ich Freitag Abend mein Fahrrad am Hauptbahnhof in Heidelberg nicht wie erwartet finden konnte, war das erste, was ich tat, in der „Wo ist?“-App auf meinem Smartphone zu öffnen: Vielleicht würde ich ja so heraus finden, wo das Fahrrad steckt.
Dank der App konnte ich herausfinden, dass das Fahrrad definitiv geklaut wurde, nicht etwa – wie auch schon passiert – wiederholt von mir übersehen wurde. Ungünstig war, dass das AirTag zuletzt knapp vier Stunden früher geortet wurde, bei einem so dichten Netzwerk wie das FindMy-Netzwerk von Apple unwahrscheinlich.
Außerdem wurde der AirTag nicht genau lokalisiert, sondern mit einer anscheinend recht hohen Ungenauigkeit (dazu später mehr) nur im Ort Kandel bei Wörth am Rhein geortet. Dies alles lies mich zu der Vermutung kommen, dass die Diebe wohl den AirTag fanden und ihn entsprechend deaktivierten. Also machte ich erstmal den Standart-Ablauf nach einem Fahrrad-Klau: Bei der Polizei Anzeige erstatten, danach die Versicherung über den Diebstahl informieren.
Das ich in dem Fahrrad ein AirTag hatte, half mir in dem Moment auch schon weiter, wenn auch nur indirekt: Immerhin konnte ich beweisen, dass das Fahrrad defintiv nicht in meinem Besitz ist.
Cool, mein treues Fahrrad wurde geklaut
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) 6. Mai 2022
Eine neue Hoffnung
Nachdem ich mich mit einem guten Vereinskollegen Jakob vom Zentrum für soziale Innovation (ZFSI) spontan für das Vorbereiten von einem Workshop-Projekt traf, schaute ich noch einmal beim Erzählen der Fahrrad-Story in die „Wo ist?“-App auf meinem Smartphone, um zu zeigen, dass sich der AirTag nicht mehr meldet.
Doch falsch gedacht: Nur etwas mehr eine Stunde vorher hat sich das AirTag wieder gemeldet, dieses mal mit einem genauen Standort statt nur einem groben Ort. Damit war die Hoffnung wieder geweckt, das Fahrrad doch wieder zu finden.
Mit dieser Hoffnung im Kopf riefen wir bei der Polizei in Wörth (der zugehörigen Polizeiinspektion) an, um zu fragen, ob die Kapazitäten beständen, mit uns einen Besuch bei der herausgefundenen Adresse anzugehen. Es war uns dabei vollkommen klar, dass es gut sein kann, dass wir an dem Ort in Kandel entweder nur einen entsorgten AirTag ohne Fahrrad oder ein geschlossenen Raum (z.B. ein Wohnhaus) finden könnten, bei dem wir selbst mit der Polizei keine Chance hätten, das Fahrrad zurück zu holen.
Nachdem der diensthabende Polizeibeamte erst etwas erstaunt und verwundert war, dass ich die vermutete Adresse des Fahrrads herausfinden konnte, sagte er zu, uns gegebenenfalls zu Unterstützen, wenn wir denn nach Wörth am Rhein kämen. Für uns bedeutete das, ein Auto zu organisieren, mit dem wir eben mal die 80 Kilometer nach Wörth am Rhein zurücklegen könnten – dank einer Sperrung der S-Bahn-Verbindung von Heidelberg nach Karlsruhe war die Nutzung des ÖPNVs nahezu ausgeschlossen, selbst mit knappen Anschlüssen würde der Weg zum Bahnhof von Wörth am Rhein mindestens zwei Stunden kosten, dazu noch der Weg zur Polizeiinspektion sowie dann nach Kandel. Als Person mit Führerschein, jedoch ohne Besitz eines Autos (warum auch, ich habe/hatte ein Fahrrad), musste ich also etwas umher telefonieren, um mir so kurzfristig ein Auto leihen zu können.
Dankenswerterweise konnte ich mir einen VW-Bus von einer befreundeten Familie ausleihen, um mit diesem in einer Stunde nach Wörth am Rhein zu fahren. Also: Gesagt wie getan saßen wir im T5 auf der Autobahn nach Karlsruhe. Dort bogen wir in Richtung Rheinland-Pfalz ab, wo wir schnell die Ortschaft Wörth am Rhein erreichten.
In Wörth am Rhein trafen wir in der Polizeiinspektion auf die Polizei, um dort einen Treffpunkt mit einer Polizei-Streife an einem nahegelegenen Ort zu vereinbaren, hier wählten wir eine Tankstelle rund 800 Meter vor der gesuchten Adresse.
An dieser Tankstelle trafen wir nach etwas warten auf die Polizei, welche uns dann bis in die Ortschaft Kandel und nahe dem getrackten Ort folgte. Das AirTag hatte sich in der zwischenzeit nicht noch einmal gemeldet – meine Anspannung, ob ich tatsächlich das Fahrrad ausfindig machen könnte, war demnach sehr hoch. Schließlich wäre es auch peinlich, mit der Polizei zu einem Ort zu fahren, nur um dort den münzgroßen Tracker auf der Straße zu finden.
Weiße Sprinter und viele Fahrräder
Angekommen auf dem Hof wurden wir durch ein sperrangelweit offenenes Tor begrüßt, welches wir zu viert (zwei Polizisten, Jakob & Ich) durchquerten. Direkt dahinter befanden sich neben Lastwagenanhängern eine ganze Reihe stillgelegter Sprinter sowie ein weiterer Kleintransporter, welcher gerade mit Fahrrädern (alle ohne Vordereifen) beladen wurde. Dazu stießen wir auf drei ungarische Männer, welche aktiv die Fahrräder verluden. Während die Polizei versuchte, die Personalien der drei Männer festzustellen, lief ich auf dem Platz etwas entlang, um eine Verbindung mit dem AirTag herstellen zu können. Nachdem ich Anfangs keinen Erfolg mit der Kontaktaufnahme hatte und schon etwas Angst hatte, das Fahrrad befände sich nicht mehr auf dem Hof, konnte plötzlich ein Signal des Trackers mein Smartphone erreichen. Durch herumlaufen in dem Bereich, in dem eine Verbindung zum AirTag bestand, sowie des öfteren einen Klingelton erklingen lassen, konnte ich einen etwas barrikadierten weißen (ebenfalls stillgelegten) Transporter entdecken, in dem sich der AirTag zumindest befand. Nach freiräumen des Eingangs konnten wir den Transporter begehen – und fanden einen Stapel Fahrräder mit übergeworfener Decke vor:
Nach dem ich die Decke und ein paar Fahrräder von dem Stapel heruntergenommen hatte, traute ich meinen Augen kaum: Dort war doch tatsächlich mein Fahrrad! Komplett für den möglichst platzsparenden Transport umgebaut (Pedale umgedreht, Lenkrad eingedreht und Vorderrad entfernt), lag dort ganz unten das Fahrrad, welches mich schon ein paar zehntausend Kilometer durch die Welt gebracht hat.
Also das Fahrrad herausgenommen und inspiziert – nach etwas weiterem Suchen im Transporter konnte ich auch noch den Vorderreifen finden. Vor dem Transporter fand ich sogar noch den Helm, welcher mir mit dem Fahrrad gemeinsam abgeschlossen auch geklaut wurde.
Mit dem Fahrrad beladen ließen wir dankend die Polizisten weiter ihrer Arbeit nachgehen, die gerade die Personalien der drei Männer notierten – bei dem Fund und vielen weiteren Fahrrädern in ähnlicher Transportkonfiguration lag der Verdacht nahe, weitere gestohlende Fahrräder finden zu können. Hierzu sei noch gesagt, dass ich explizit nicht die Mutmaße, dass die Männer, die wir beim Verladen der Fahrräder antrafen, die gleichen Männer sind, die auch mein Fahrrad geklaut haben – es ist Beispielsweise auch möglich, dass das Fahrrad am selben Tag auf einem Flohmarkt erstanden wurde. Hier gilt wie immer erstmal die Unschuldsvermutung.
Was kann man daraus lernen?
Also, was habe ich aus dem Fall gelernt?
- AirTags können, auch wenn eigentlich nicht für den Fall gedacht, sehr hilfreiche Hilfen beim Fahrradklau sein.
- Mit den Behörden kommunizieren: Ohne Kontakt zur Polizei wäre so eine Aktion nicht nur Gefährlich, sondern höchst illegal. Eigenjustiz ist in so einem Fall unangebracht.
- Vorsichtig mit seinem Drahtesel sein: Gezwungener Maßen muss ich mir nun ein neues Schloss zulegen – hier werde ich nochmal etwas sicherer gehen und wenn es sich vermeiden lässt, das Fahrrad nicht mehr über Nacht draußen stehen lassen
- Die Hoffnung nicht verlieren: Meine Hoffnung war nach dem ersten Abend kaum vorhanden, sodass ich mich sogar schon nach einem neuen Fahrrad umschaute. Doch gerade innerhalb der ersten 48 Stunden kann man mit Glück und technischer Hilfe doch noch das Fahrrad finden.
Pressemitteilung der Polizei Wörth am Rhein und Dank
Hier die Pressemitteilung der Polizei zu dem Fund des Fahrrads: https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117686/5217496
Mein Dank gilt an dieser Stelle allen, die beim Wiederfinden des Fahrrads geholfen haben: Insbesondere Jakob und der Polizei Wörth am Rhein.