Inhaltsverzeichnis
Prolog: Alle (Fahrrad-) Wege führen nach Skandinavien
Als ich mich im Juni diesen Jahres mit meiner Sommer-Planung beschäftigte, war ich mit der folgenden Situation konfrontiert:
Sechs Wochen Sommerferien. Eigentlich eine perfekte Möglichkeit, um sich in fremde Kulturen einzuleben und tatsächlich mehr als einen rein touristischen Urlaub zu erleben (so habe ich 2019 schon die Westküste der USA erkundet). Allerdings ist COVID weiterhin maßgebend für die Reiseplanung, lange Aufenthalten in anderen Ländern sind nicht oder nur schlecht planbar. Praktika gibt es bisher auch kaum wieder in Präsenz, mehrere Wochen vor dem Bildschirm seine Sommerferien in einem Distanz-Praktikum zu verbringen, war keine Option für mich. Also schaute ich, was für Abenteuer man sich ohne lange Reisen und weitestgehend von Inzidenzen unabhängig vornehmen könnte. Heraus kam ein grober Plan für eine mehrtägige Fahrradtour nach Skandinavien. Die Vorteile solch einer Tour waren, dass ich ohne einen Flug oder internationale Bahnreisen zwei tolle skandinavische Länder erkunden konnte: Schweden und Dänemark. Beide Länder sind zudem noch bekannt für sehr gute Radwege, wenig Berge und eine radfreundliche Kultur.
Mit dieser Idee vergangen die Monate, bis der Anfang meiner letzten schulischen Sommerferien um die Ecke schaute. Und mit rund einer Woche bis zur geplanten Abfahrt begann ich, die Reiseziele konkret heraus zu suchen.
Dieser ausführliche Beitrag dokumentiert in neun Teilen mein Sommerabenteuer in drei Ländern auf dem Fahrrad entlang steiniger Küsten, auf Sanddünen und durch Wälder – also nehmt euch einen Tee und genießt die Reise.
Vorbereitung
Ein Unterfangen wie eine mehrtägige Radtour bedarf Vorbereitung. Vor allem Bahn- und Fährfahrten müssen in vielen Fällen mit etwas Vorlaufzeit gebucht werden, insbesondere wenn das Fahrrad mit genommen werden soll. Ich war mit meinen sieben Tagen Vorbereitungszeit deshalb auch sehr sportlich dran – eigentlich wären drei bis vier Wochen Zeit deutlich entspannter gewesen.
Zuerst musste aber eine genaue Route her: Von wo bis wo will ich täglich fahren, gibt es schwierige Strecken oder große Steigungen zwischendurch? Letzeres musste ich für Skandinavien nicht beachten, so sind die Skanden nicht in acht Tagen (hin und zurück) erreichbar. Mein Ziel der Reise stand als Erstes fest: In Forst (Lausitz) konnte ich Bekannte treffen, welche mich (und mein Fahrrad) nach ein paar Tagen Entspannung wieder nach Heidelberg nehmen konnten. Auf der Suche nach einem Startort begab ich mich in Google Maps auf Erkungungstour nach Fährverbindungen (diese sind da dankenswerter Weise eingezeichnet) von Deutschland nach Schweden. Die Voraussetzungen für die Verbindung waren dabei, möglichst wenig Strecke nach Schweden zu haben und den Ablegeort gut mit dem Fahrrad bzw. der Bahn zu erreichen.
Ich fand als gut passende Verbindung die Sassnitz -> Ystad-Route der FRS Baltic, welche in weniger als drei Stunden die Überfahrt nach Schweden schafft.
Als Nächstes stand die Suche nach einer Verbindung von Schweden nach Dänemark an – von Ystad würde ich nach Westen in Richtung Kopenhagen fahren, demnach bräuchte ich eine weitere Fährverbindung, oder besser noch eine Brücke nach Dänemark. Die Öresundbrücke wäre da der natürliche Kanidat gewesen, leider ist die Brücke nicht mit dem Fahrrad befahrbar. Möglich wäre eine Bahnfahrt von Malmö nach Kopenhagen gewesen, da ich aber sehr spät mit dem Buchen der Fahrten war, wäre eine Fahrradmitnahme nicht mehr möglich gewesen.
Ein Stück weiter nördlich gab es dafür eine Verbindung von Helsingborg nach Helsingør, welche mit einer Fähre schnell und erschwinglich befahrbar ist. Deswegen wählte ich Helsingborg als Platz zum Übernachten aus, damit ich gleich morgens in Dänemark von Helsingør nach Kopenhagen (rund 65 km) fahren konnte.
Somit stand der folgende Plan:
An Tag 1 in Sassnitz schlafen, danach über Ystad nach Malmö fahren, dort ebenfalls übernachten und von dort weiter nach Helsingborg. In Helsingborg dann eine weitere Nacht verbringen, am Morgen mit der Fähre über den Öresund-Kanal und direkt weiter nach Kopenhagen. Dann hätte ich noch vier Tage, um von Kopenhagen in die Lausitz zu gelangen.
Weiter ging die Planung mit der Fährverbindung zurück nach Deutschland, hier kamen nur zwei Optionen in Frage: Entweder von Rødbyhavn auf Fehmann und dann ab Kiel in Richtung Berlin, oder von Gedser nach Rostock. Da die Verbindung nach Rostock schneller und von Kopenhagen besser erreichbar war, entschied ich mich bei der letzten Seeüberfahrt für die Fährverbindung von Gedser nach Rostock mit scandlines. Während ich von Kopenhagen nach Rødbyhavn drei Tage gebraucht hätte, war Kopenhagen bis Rostock realistisch in zwei Tagen zu schaffen.
Somit stand das grobe Gerüst, als Erstes buchte ich die Verbindung von Ystad nach Malmö: 34 Euro später (davon 5 Euro für die Fahrradkarte) kam die erste Boardkarte in mein Postfach. Für die weiteren Verbindungen über den Öresund-Kanal und nach Rostock konnte ich keine Fahrten vorbuchen, weshalb ich mich als nächstes um die Übernachtungen kümmerte.
Schnell stellte sich heraus, dass ich auf jeden Fall zelten musste – kaum Jugendherbergen hatten noch Betten frei, selbst in Stralsund hatte die Jugendherberge keinen Platz mehr: Denn auch wenn im Buchungstool des deutschen Jugenherbergswerks nach der Orts- und Datumseingabe „Zimmer verfügbar ab xy€“ steht, kann man erst nach einem Klick auf „Zimmer reservieren“ tatsächlich die Verfügbarkeit einsehen. Da ich vorher aber nur bis zum ersten „Zimmer verfügbar ab xy€“-Bildschirm klickte, fiel diese Möglichkeit unerwartet auch weg.
Dafür fand ich in gegen jede Vermutung auf Anhieb ein Bett in einem Zimmer der Jugendherberge Kopenhagen, welches ich direkt einplante. Außer für die Übernachtung in Rostock, wo ich günstig in einem Hostel am Rand der Stadt unterkam, fand ich entweder gar keine Unterkünfte oder nur sehr teure Hotels, die für mich keine Option darstellten. Das Zelt musste ich auf jeden Fall mitnehmen – deshalb entschied ich mich dafür, in allen anderen Nächten zu zelten (in Berlin kam ich zum Glück bei einem Freund unter, diese Station hätte mir sonst noch Kopfschmerzen bereitet).
Als Letztes kümmerte ich mich noch um die Bahnverbindung von Heidelberg hoch in die Nähe von Sassnitz. Dieses späte Buchen stellte eins der größten Probleme der Reise dar, wie sich herausstellte: Jeder Logik entbehrend werden im DB-Navigator bei ausgewählter Fahrradmitnahme nicht etwa nur Verbindungen mit freien Fahrradplätzen angezeigt, sondern alle Verbindungen mit Zügen, die potenziell Fahrradstellplätze bieten. Selbst wenn man sich zum Bezahlen durchklickt, wird die Prüfung ob, überhaupt noch Plätze verfügbar sind, für Fahrräder erst beim tatsächlichen Buchen des Tickets, parallel zum Abbuchen vom Konto, durchgeführt. Deshalb ist es (insbesondere als Bahncard 100-Inhaber oder bei Nutzung des DB-Sommertickets) kaum möglich, herauszufinden, wann überhaupt noch eine Fahrradmitnahme möglich ist. Nach 2 Stunden (!) im DB-Reisezentrum konnte ich dann eine bizarre Verbindung über Mannheim und Berlin finden, bei der noch die Fahrradmitnahme möglich war.
Glücklich, überhaupt etwas gefunden zu haben, buchte ich die Verbindung, damit stand drei Tage vor dem Aufbruch das Gerüst der Reise.
Das Fahrrad für die Reise vorbereiten
Vor der Abreise musste ich erstmal mein Fahrrad vorbereiten – neben durchchecken, einem Aufpumpen und Ölen der Kette, baute ich auch den Korb ab und montierte stattdessen die Halterungen für zwei Satteltaschen hinten. Zwei Flaschenhalter im Rahmen komplettierten die Ausrüstung meines KTM Life Tour.
Ich packte außer Kleidung, etwas Fotoausrüstung und viel Wasser noch eine Luftpumpe und Flickzeug sowie einen Ersatzschlauch ein. Außerdem nahm ich Schwimmsachen für die Ostsee und Verpflegung in Form von Müsliriegeln mit.
Das alles passte angenehm in zwei Satteltaschen, trotzdem nahm ich für Wertsachen und die wenige Technik einen kleinen Rucksack mit.
Aller Anfang ist schwer (und dunkel)
Am ersten Tag der Reise ging es erst mit der Bahn nach Greifswald, von dort auf dem Fahrrad 75 km nach Sassnitz. Dabei war die Strecke über Rügen sicherlich sehr schön – allerdings hatte ich dank einer ungeplanten Nachtfahrt kaum etwas von ihr gesehen.
Provehito in altum: Spring vorwärts in das Unbekannte
Freitag morgen, endlich begann die Reise. Dank der späten Abfahrt der Bahn in Heidelberg (wie es zu der späten Abfahrt in Heidelberg kam, habe ich im Vorbereitungs-Beitrag zu dieser Reise geschrieben) konnte ich gut aussschlafen und begann entspannt um 09:00 Uhr, die letzten Sachen der Reise zu packen. Trinken auffüllen, Bahnverbindung auf Verspätung checken und in Richtung Bahnhof losfahren.
Direkt fiel mir die ungewohnte schwere und nicht gewohnte Trägheit des Fahrrads auf, meistens war ich doch mit minimalem Gepäck in der Stadt unterwegs.
Mit gut viel Puffer am Bahnhof angekommen, wartete ich auf die S-Bahn, welche mich pünktlich in Richtung Mannheim bringen sollte.
Von Mannheim aus ging es im ICE 690 (eine Verbindung, die ich im Sommer diesen Jahres fast ein Dutzend mal gefahren bin) nach Berlin Gesundbrunnen. Dabei war das Einsteigen und insbesondere Befestigen des Rads im ICE eine Wissenschaft für sich: Mit abmontieren Radtaschen und ohne weiteres Gepäck schaffte ich das Anheben und Einfädeln des Vorderrades auf Kopfhöhe nur mithilfe eines weiteren Radfahrers, der zum Glück beim Heben helfen konnte.
Warum steigen 80% im ICE nach Berlin schon am Südkreuz aus? Hab' ich was verpasst? 🚄
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 6, 2021
Angekommen in einem menschenleeren ICE in Berlin Gesundbrunnen (nahezu alle Fahrgäste waren schon vor Berlin Gesundbrunnen am Hauptbahnhof oder im Südkreuz ausgestiegen) stand ich vor dem ersten größeren Problem der Reise: Die Spanngurte zum Befestigen der Isomatte auf dem Gepäckträger fehlten! Was erstmal nach keinem großen Problem klingt, war für mich ziemlich ungünstig: In Sassnitz würde ich frühstens um 19:53 Uhr ankommen, zu spät, um noch einen Fahrradladen zu besuchen. Die Spanngurte sorgten dafür, das meine Ladung auf dem Gepäckträger nicht herunterfiel – ohne so einen Spanngurt wäre eine längere Fahrt mit dem Rad undenkbar, ich musste ohne den Spanngurt jederzeit eine Hand auf der Tasche auf dem Gepäckträger haben, damit das Gepäck nicht herunterfiel.
Mit einer Hand als Befestigung der Isomatte stieg ich erstmal in den ICE nach Sassnitz, dort befasste ich mich weiter mit dem Problem. Mein telefonisches Abklappern von möglichen Alternativen zum Auftreiben von Spanngurte in Sassnitz blieb ohne Erfolge, entweder hatten die Läden schon zu oder keine Spanngurt verfügbar.
Deswegen suchte ich eine IC-Haltestelle vor Sassnitz in Greifswald nach Optionen zum Auftreiben von Schnellspannern. Fündig wurde ich bei einer Toom-Filiale, welche sogar bis 22:00 Uhr freitags offen hatte. Super, nun hatte ich eine Lösung für dieses erste Problem gefunden. Die restliche IC-Fahrt unterhielt ich mich mich Mitreisenden und lernte dabei einen Einwohner Greifswalds kennen, welcher mich in die Richtung der Toom-Filiale lotsen konnte.
Mit wieder einem Spanngurt installiert ging es nun endlich gegen 20:00 Uhr schon bei langsam untergehenden Sonne auf die erste Etappe nach Sassnitz.
Dabei musste ich erstmal die durch das frühere Aussteigen verlorene Strecke wieder gutmachen, fast zwei Stunden raubte der Weg für den Spanngurt nach Stralsund.
Nach viel zu vielen Kilometern Pflastersteinweg kam ich somit endlich in Stralsund an. Die Sonne war schon lange untergegangen, nur noch Dämmerung verblieb. Stehend vor der mächtigen Rügenbrücke begann die „offizielle“ Radtour so wie ich sie geplant hatte – allerdings sechs Stunden später als erhofft und drei Stunden später als erwartet.
Mit der Rügenbrücke verließ ich das deutsche Festland, auf Rügen ging es dann größtenteils auf Landstraßen in Richtung Sassnitz. Auf der einen Seite sind Landstraßen gut geeignet um schnell viel Strecke zurückzulegen, auf der anderen Seite sind (vor allem in Deutschland) sehr dicht und gerne auch grundlos hupende überholende Autofahrer mit einem Geschwindigkeitsunterschied von 80 km/h keine Seltenheit. Angenehm sind Landstraßen also auch nicht, aber ich denke, da erzähle ich euch keine Neuheiten. Interessant war an dem Abend und beim Fahren über die Landstraße, dass zahllose Mähdrescher auf der Insel arbeiteten. Der Staub, welcher dabei aufgewirbelt wurde, war teilweise so dicht, dass es mir wie morgendlicher Nebel vorkam – jedoch in der Nacht bei sommerlichen 20 °C und sternenklarem Himmel. Bei 20 verbleibenden Kilometern ging es erst durch kleinere Ortschaften auf einem Radweg weiter, dannach auf einem immer kleiner werdenen Feldweg.
Plötzlich fand ich mich vor einem abrupt endenen kleinen Pfad in einem Waldstück wieder, dank vorher gesteiften Brennnesseln waren meine Beine beim Anhalten auch nicht wirklich glücklich. Ein Mückenschwarm überfiel mich direkt, während ich mit der Taschenlampe einen Weg aus dem Wald suchte. In kompletter Dunkelheit (ich habe nicht mal probiert, ein Foto zu bekommen) schob ich mein Fahrrad erst durch Unterholz und dann lange parallel zu einem Feld, bis ich nach 25 Minuten Umweg auf die nächstgelegene Landstraße traf. Dieser folgte ich dann, um weiter in die Richtung Sassnitzes zu kommen. In der Ortschaft Litzow, rund fünf Kilometer vor dem Fährhafen in Sassnitz gelegen, fand ich schließlich einen geeigneten Platz, um das Zelt für wenige Stunden aufzuschlagen. Inzwischen war es 01:00 Uhr morgens, bei einer Fährenabfahrt um 08:00 Uhr müsste ich spätestens um 06:00 Uhr wieder aufstehen. Als letzten Teil dieser spanneden und nervenzehrenden ersten Tour baute ich mein Zelt auf, gegen 01:40 Uhr konnte ich endlich einschlafen.
Auf der Katamaran-Fähre von Sassnitz über Ystad bis nach Malmö
Am zweiten Tag meiner Reise führt es mich raus aus Deutschland und mit der Fähre nach Ystad, von dort auf dem Fahrrad nach Malmö. Dabei fahre ich über die schönsten Radwege der gesamten Reise.
Der frühe Vogel bekommt die Fähre
Nach einer sehr kurzen Nacht bei Sassnitz sollte mein Wecker um 06:00 Uhr klingeln – allerdings war ich dank erheblichem Lärm (ich hatte mein Zelt ungünstiger Weise direkt neben einer größeren Bahn- und Verkerstrecke aufgebaut, wie ich bei erstem Licht sehen konnte) bereits nach knappen drei Stunden Schlaf um 05:00 Uhr wach.
Trotz der Müdigkeit baute ich rasch das Zelt ab, nachdem ich das Einpacken einmal bei mir in Heidelberg auf einem Rasenstück getestet hatte, konnte ich beim zweiten Mal das Falten der Planen nach gut zwanzig Minuten bewerkstelligen, bis alle Teile in die richtigen Tüten passten.
Danach packte wieder das Fahrrad und machte mich auf zu der Fähre. Auf den fünf Kilometern vom Übernachtungsort hin zur Fährhafen führte mich der Weg auf einem gut ausgebautem Fahrradweg durch einen Wald. In diesem Wald sprang auf einmal ein Reh direkt vor mir auf den Fahrradweg und lief rund 30 Meter mit mir, bevor es wieder in den Wald auf der anderen Seite des Weges sprang. Nach dieser Überraschung (ich unterschätze gerne, wenn ich über solche Wild-Bekannschaften nachdenke, wie groß solches Rotwild ist: Mindestens 1,3 Meter war das Tier groß, welches da vor mir her lief) fand ich noch einen Fuchs im Wald, welcher erstaunlich zutraulich war, sodass ich sogar ein Foto machen konnte.
Weiter ging es an den Fährhafen in Sassnitz, bei dem die Autospur von Fahrrädern und Fußgängern getrennt wird. Für die Fahrradfahrer geht es danach weiter auf das Fährhafengebiet, wobei bei mir das Befahren zuerst unmöglich gemacht wurde: Ein Güterzug wurde in diesem Moment entladen, zum Glück hatte ich noch etwas Zeit und konnte bei dem sehr freundlichen Entladungspersonal bitten, den Zug einmal kurz über den Straßenübergang zu bewegen und damit die Strecke frei zu machen.
Mit 85km/h über die Ostsee
So stand ich fünf Minuten vor offizieller Check-In-Zeit gegen 07:25 Uhr mit fünf weiteren Radfahrern, welche alle Tagesausflüge nach Ystad machen wollten, am Terminal Nord der Fährgesellschaft FRS Baltic.
Nachdem wir Fahrradfahrer zuerst vor allen anderen auf die Fähre fahren konnten, ging es an das Verstauen des Gepäcks und das Anbinden des Fahrrads. Mit semi-funktionalen Spanngurten (bei den meisten war die Ratschfunktion nicht mehr funktionsfähig) banden wir die Fahrräder im Unterdeck der Fähre an einem Gestänge fest. Das Gepäck, welches ich nicht über das Schiff tragen wollte, klemmte ich zwischen dem Gestänge und dem Fahrrad ein. So war ein Umfallen und eventelles unters Auto rutschen sehr unwahrscheinlich.
Mit meinem Rucksack begab ich mich bei dem 91 Meter langen Katamaran auf das Hinterdeck, um das restliche Aufladen der Autos noch beobachten zu können. Vollgestellt mit rund 200 Fahrzeugen machten wir uns auf aus Sassnitz, um in 2,5 Stunden Schweden zu erreichen.
Je weiter wir uns vom Festland entferneten, desto schneller wurden wir auch: Anfangs noch in einem sehr angenehmen „draußen-steh“-Tempo, bei dem der Fahrtwind sich noch nicht zu sehr bemerkbar machte, wurde es etwas weiter draußen so schnell, dass man sich (und sein Smartphone, wenn man Fotos oder Videos machen wollte) sehr gut festhalten sollte.
Mit dem 40.000 PS-Jet-Antrieb konnte sich die Fähre während der Überfahrt auf bis zu 88 km/h (GPS-Gemessen) beschleunigen und schnitt sich so durch das Wasser, Wellen oder ähnliches konnte ich kaum mehr bemerken.
So eine Fähre im Katamaran-Design ist wirklich faszinierend. Wir fahren mit 85-90 km/h über das offene Meer, die Welle hinter dem Antrieb ist 5-7 Meter hoch und trotzdem ist es so ruhig wie auf einer klassischen Fähre. pic.twitter.com/sk9kDbaLad
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 7, 2021
Dieser FRS-Katamaran, der auf dem Weg zwischen Sassnitz und Ystad verkehrt und welchen ich genommen habe, hält mit einer Zeit von 2 Tagen, 17 Stunden und 59 Minuten den Rekord für die schnellste Transatlantiküberquerung, seit dem Aufstellen des Rekords 1998 ist dieser ungebrochen (die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 76 km/h bei dieser Überquerung).
Nachdem die deutsche Küste verlasssen wurde, machte der Duty-Free-Shop auf und viele Passagiere deckten sich mit alkoholischen Getränken ein: Wegen Schwedens hohen Alkoholsteuern machte das Einkaufen gänzlich befreit von Mehrwertsteuern sehr attraktiv für Einwohner und Touristen des Landes.
Ich hielt mich dagegen fast die ganze Zeit auf dem Oberdeck auf und beschäftigte mich mit dem Nachholen von etwas Schlaf, den ich in der Nacht nicht bekommen hatte.
Ein Kurzschlaf (der moderne Anglizismus dafür lautet wohl „Powernap“) später war am Horizont schon Schweden zu erkennen.
Da mir beim Boarding des Schiffes geraten wurde, früh mit dem Befreien und Wiederbeladen des Fahrrads zu beginnen, begab ich mich frühzeitig auf das Unterdeck, wo ich mein Fahrrad und das Gepäck im gleichen Zustand wie beim Festmachen vorfand.
"Und das ist alles wirklich Fahrradweg?" - Die erste Tour in Schweden auf den besten Radwegen der Reise
Und so schnell war ich schon auf schwedischem Boden:
Hallå 🇸🇪! pic.twitter.com/1En6YLtAnc
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 7, 2021
Noch nicht einmal zur Mittagszeit hatte ich schon eine Bäckerei in Ystad gefunden, die mir eine Zimtschnecke verkaufte. Dabei stellte ich mit etwas Entsetzen fest, dass Schweden nicht den Euro hat: Obwohl ich schon mehrmals in Schweden meine Ferien verbrachte, habe ich damals nie selber die Nahrungsversorgung übernommen. Ich hatte bei der ganzen Euro-Verwöhnung bei den letzten Reisen schlicht nicht darüber nachgedacht, das ja weit nicht alle Länder den Euro eingeführt haben.
Wie sich schnell herausstellte, war das Problem der Fremdwährung doch nicht solch ein so großes wie gedacht: Überall, ja tatsächlich überall, kann mit Kredit- und EC-Karte problemlos gezahlt werden. Schweden ist in diesem Bereich Deutschland Jahre, wenn nicht Jahrzehnte voraus. Selbst an den kleinesten Marktständen kann man einfach kurz und unkompliziert zahlen, ohne Mindestbeträge oder absurde Gebühren.
Nach der Zimt-Stärkung ging es für mich an das nächste Problem, nähmlich ein nicht mehr funktionierender Mobilfunk: Aus zu der Zeit noch schimmerhaften Gründen verband sich mein Smartphone mit meiner Daten-SIM (ich benutze das Gerät also im Dualsim-Modus) nur im Telefonie-Vertrag der Telekom mit dem Netz in Schweden.
Notgedrungen schloss ich einen 50 MB-Tagestarif mit der Telekom für 2,99 Euro ab und lud mir die Strecke nach Malmö herunter. Etwas frustriert von der ganzen Mobilfunk-Thematik setzte ich mich für die ersten 100 Kilometer in Schweden auf das Fahrrad.
Die ersten 50 Kilometer ließen sich sehr angenehm fahren. Vor Trelleborg machte ich Rast bei einem Supermarkt, in dem ich mich nochmal tiefergehend mit dem Mobilfunk-Problem beschäftigte.
Ich telefonierte sogar einmal kurz mit dem Ausland-Support von Vodafone, meinem Datenanbieter, um dem Problem auf die Schliche zu kommen. Da fiel mir auf einmal die Problematik wie Schuppen von den Augen: Dank des Dualsim-Betriebs, mit dem ich bis dato noch nicht im Ausland unterwegs war, musste ich die Einstellung zum Daten-Roaming in den Einstellungen der E-Daten-Sim noch extra aktivieren.
Damit konnte ich dann wieder mich in das exzellente skandinavische Mobilfunknetz einwählen und tiefenentspannt und mit neuem Wasser versorgt nach Malmö fahren. Gegen 18:30 kam ich dort auch an, ich baute mein Zelt in einem Camp am Meer sehr schön gelegen auf und beschäftigte mich als nächstes mit einer in Schweden häufig mit sehr hohen Ausgaben verbundenen Fragen: Was will ich eingentlich essen?
Auf einem Volksfest in Malmö
Bei dem Suchen nach Essen lief ich länger am Strand von Malmö entlang, wo ich ein Volksfest fand. Nach zwei Jahren ohne Besuch auf einem Fest dieser Art konnte ich eine einzigartige Atmospähre wie auf diesem Fest wirklich Wert schätzen: Die Leute tanzten und fuhren Riesenrad, so als wäre Corona niemals existent gewesen.
Leider fand ich essensmäßig keinen Lichtblick auf dem Fest, da ich mich nicht bei dem ganzen Sport von typischer Volksfestnahrung wie Churros oder Würstchen ernähren wollte. Mein Weg führte weiter in die Stadt hinein, nach vier Kilometern fand ich dann eine Pizzaria, bei welcher ich eine mittelgroße Pizza für 149 schwedische Kronen kaufen konnte: Schlappe 15 Euro also, dafür hat die Pizza auch sehr gut geschmeckt. Aber dass Schweden sehr teuer zum Leben ist, wurde mir spätestens da richtig klar.
Nach drei Stunden kam ich in der Dämmerung wieder zum Zeltplatz, bei dem ich mich direkt in das Zelt legte, um den fehlenden Schlaf nachzuholen.
Über Helsingborg zum nördlichsten Punkt der Reise – und ein Pfannkuchen-Buffet
Am dritten Tag der Schweden-Reise geht es durch strahlenden Sonnenschein und sintflutartigen Regen zum nördlichsten Punkt der Reise.
Die Größe der Öresundbrücke
Bei bestem Wetter stand ich am dritten Tourtag mit leichtem Muskelkater gegen 09:00 Uhr auf. Nach einem kurzen Frühstück ging ich im Öresund schwimmen und machte mich fertig, um die Strecke bis zu meinem Tagesziel Helsingborg zu schaffen. Nachdem ich mein Zelt zusammenpackt hatte, ging ich jedoch noch einmal zur Öresundbrücke zurück, um mit meiner Drohne diese aus aller Ferne (größere Metallstrukturen sind für die Funkverbindung und IMUs innerhalb der Drohne sehr schlecht) zu erkunden.
Als ich in der Luft war, wurde mir überhaupt erst die tatsächliche Größe des Bauwerks klar: Meine Mavic Pro schaffte es mit ihren 50 km/h und 20 Minuten Flugzeit nicht einmal, bis zur Hälfte der Brücke zu kommen.
Dazu kamen starke Winde und noch stärkere Böhen, um mich auch mit meinen 100 Flugstunden bei 550 Flügen ins Schwitzen kommen zu lassen: Nach 21 Minuten und kritischen 11% Restenergie im Akku landete ich nach sieben Kilometern Flugstrecke wieder, glücklich meine Drohne noch zu haben – wäre auf dem Rückweg der Wind gedreht, wäre die ganze Aktion wahrscheinlich in einer Wasserlandung geendet.
Selbst auf dem Zeitraffer-Video entlang der Brücke erkennt man die Böhen deutlich, wenn die Kamera etwas wackelt – das tritt nur auf, wenn die Drohne durch die Böhne überlastet wird und nichtmehr genug gegensteuern kann, um die Geschwindigkeit beizubehalten):
Nach diesem ungewollt-gutem Wachmacher verabschiedete ich mich von Malmö und begab mich aufs Fahrrad, um die Reise zum nördlichsten Punkt der Tour anzugehen. Über tolle skandinavische Radwege ging der Weg entlang der Küste durch kleinere Dörfchen und Städte, in denen auch gut Pippi Langstrumpf wohnen könnte.
Zur Mittagszeit, nach den ersten 35 Kilometern, kehrte ich spontan bei „Farmor Annas Matstuga“ einem Pfannkuchen-Buffetrestaurant ein. Obwohl ich mich vorher nicht mit dem Restaurant beschäftigt hatte, sondern einfach aufgrund der Lage am Wegesrand meiner Radstrecke dieses gefunden hatte, war ich mehr als begeistert vom Angebot. Es ist sehr selten, dass ich bei Google Restaurants bewerte, doch in diesem Fall konnte ich 5 Sterne als Minimum meiner Dankbarkeit hinterlassen.
Das Restaurant ist wirklich ein toller Tipp und es ist ein Fest, dort zu essen – es hat allerdings nur am Wochenende geöffnet (zumindest in der Nebensaison).
Nach einer leckeren Stärkung ging es weiter in Richtung Helsingborg – die weiteren 50 Kiliometer dahin verliefen bei immer weiter bewölkt werdenem Wetter unspektakulär. Jenes Wetter wurde mit immer dunkler werdendem Himmel von angenehmen Tourbedingungen zu einer bedrohlichen Vorgewitterlage. Ich war sehr erleichtert, als ich gegen 17:30 Uhr an der Küste von Helsingborg mein Zelt aufbaute. Bei den ersten Tropfen legte ich erst das Gepäck ins Zelt, danach sehr zügig auch mich. Sekunden, nachdem ich den Regenschutz-Reißverschluss zumachte, ergoss sich das Gewitter, welches seit Stunden sich aufbaute, auf einmal über mir und dem Zelt. Rund 20 Minuten lang schoss der Regen mit einer unglaublichen Wucht auf mich und mein Zelt, bis plötzlich die Sonne wieder anfing zu scheinen. Damit wurde es mir in meinem Zelt viel zu warm, es war nun kurz vor 19 Uhr – zu früh, um den Abend einem Ort zu verbringen und eigentlich zu spät, um noch einmal weiter in den Norden zu fahren.
Bis zum nächsten nördlichen Meilenstein waren die 42 Kilometer jedoch nicht mehr bis zum Sonnenuntergang schaffbar. Aber da ich auch keine Idee hatte, wie ich meinen Abend gestalten könnte, entschied ich mich dafür, doch diese Strecke in Angriff zu nehmen. Mein Gepäck ließ ich in Helsingborg. Mit 26 km/h im Schnitt ging die geschätzte Ankunftszeit für Kullens fyr, einem historischen Leuchtturm in der Nähe der kleinen Stadt Mölle, schnell von 21:25 Uhr erst zu 21:00 Uhr und dann zu 20:50 Uhr. Der Sonnenuntergang war an diesem Tag auf 21:08 Uhr vorhergesagt, so wäre ein Beobachten des Sonnenuntergangs noch tatsächlich möglich! Motiviert fuhr ich über leere Straßen und kleinere Waldabschnitte, die immer tolle Radwege besaßen und dazu noch (wahrscheinlich wegen dem Gewitter davor) menschenleer waren. Die 42 Kilometer fuhr ich am Ende in einer Zeit von rund einer Stunde und 50 Minuten – so war ich um 20:54 Uhr am Leuchtturm angekommen. Zum Schluss der Tour gab es nochmal eine Strapaze hoch auf den Berg mit dem Leuchtturm, die mich gut forderte – danach war ich umso glücklicher, mein Ziel erreicht zu haben.
In der nächsten Stunde genoss ich den Sonnenuntergang über dem Meer und der sehr schönen Umgebung. Es wurde dunkler und dunkler, damit wurde der Lichtstrahl des Leutturms auch immer besser sichtbar:
Gegen 22:00 Uhr trat ich den Rückweg in Richtung Süden an – langsam wurde es kalt und ich wollte noch vor Mitternacht wieder in Helsingborg sein. Auf der Rückfahrt konnte ich ohne Licht zwar nicht die Landschaft genießen, doch nach diesem Tag war die Vorfreude auf Schlaf mehr als ausreichend, um mich für 23 km/h Schnittgeschwindigkeit zu motivieren.
Nach rund 160 Tageskilometern (und einer vollständig entleerten Apple Watch) kam ich um 23:58 Uhr wieder bei meinem Zelt an. Etwas durchgefroren und auf jeden Fall müde freute ich mich auf acht Stunden Schlaf, um am nächsten Tag Schweden mit der Fähre zu verlassen.
Im Rückblick war dieser abendliche Ausflug einer der eindruckvollsten Erfahrungen des Urlaubs – solch tolle Landschaft, ein grandioses Ziel und viel Spaß auf dem leichtlaufenden Fahrrad wegen dem fehlendem Gepäck.
Kaffe kaufen und ab nach Kopenhagen
Am vierten Tag der Radreise geht es bei starken Regen über den Øresund nach Helsingborg und dann nach Kopenhagen – einer der schönsten europäischen Städte.
Mit der Elektro-Fähre über den Øresund
Am morgen nach der 160 km-Tour stand ich – gegen meine Erwartung – um 10:00 Uhr ohne Muskelkater auf. Da ich in ziemlich direkt in Helsingborg mein Zelt aufgebaut hatte, wollte ich in der Stadt frühstücken gehen. Das Tagesziel war an diesem vierten Tourtag Kopenhagen, die Überfahrt von Helsingborg nach Helsingør über den Øresund hatte ich nicht vorgebucht und war deshalb sehr flexibel (die Strecke ist nicht lang und die Fähre fährt im 30-Minuten-Takt).
Also baute ich mein Zelt ab und belud ein weiteres Mal mein Fahrrad, um mich zügig auf den Weg machen zu können. Erst war mein Plan, einen Kaffee zu trinken, bevor ich weiter frühstücken wollte. Den Kaffee wollte ich bei Koppi trinken, einem Kaffeeladen im Industriegebiet Helsingborgs. Dort angekommen stellte ich jedoch fest, dass dieser Laden eine reine Kafferösterrei ist. Im Gespräch mit dem sehr freundlichen Inhaber konnte er mich dann für eine 250-Gramm-Packung Koppi-Kaffee begeistern. Außerdem konnte ich meine Flaschen auffüllen und so voll ausgestattet wieder aufs Rad springen, um weiter in die Innenstadt zu fahren.
Dort angekommen setze ich mich in eine Bäckerei, in der ich mich mit drei kleineren Teilen durch das Angebot probierte. Nach dieser Stärkung ging ich noch kurz in einen schwedischen Supermarkt, um etwas Wegstärkung für den Nachmittag zu bekommen.
Um 12:20 Uhr stand ich dann bei Regen am Fährhafen, um nach Dänemark zu kommen – keine 15 Minuten später befand ich mich schon auf dem Wasser.
Die Fähre, welche ich nahm, war rein elektrisch angetrieben. So war es, selbst im Vergleich zur Katamaran-Fähre, auf dem Wasser fast ungeheimlich ruhig. Dafür war die Geschwindigkeit der Fähre auch nicht so hoch, für die 17 km war ich 45 Minuten unterwegs. Immerhin konnte ich diese Zeit überdacht verbringen, draußen regnete es während der ganzen Überfahrt weiter.
Gegen 13:20 Uhr stand ich dann erstmals auf dänischem Boden – begrüßt von Nieselregen und großen Straßen, ein Bild, das sich die nächsten Tage häufiger wiederholen würde. Also nichts wie los, die 65 km nach Kopenhagen sollten ja ein Leichtes sein. Nachdem ich etwas Probleme mit meiner Beladung beheben konnte (die Tüte, welche meinen Schlafsack und das Zelt zusammenhielt, war leider gerissen), kam ich von Nieselregen in einen handfesten Regen, welcher nach meiner Jeans auch meine Schuhe durchnässte.
Leicht demotivert und etwas ausgekühlt nahm ich noch einmal meine volle Motivation für Kopenhagen in die Hand und fuhr erst 30 Kilometer entlang einer Küsten-Landstraße, um dann auf etwas kleinere Wege abzubiegen. Auf der Landstraße gab es leider keinen richtigen Radstreifen, deshalb musste ich viel mit den dicht überholenen Autos fahren – nach Schweden eine ganze Umgewöhnung. Vor Kopenhagen wurde es dann noch einmal richtig ungemütlich, als ich entlang eines schmalen Fahrradwegs in einen starken Regenschauer kam. Ohne die Möglichkeit mich unterzustellen, wurde ich noch ein weiteres Mal komplett nass. Langsam hatte ich Angst um meine Kleidung, welche nur geschützt durch die Texilfahrradtasche den Elementen ausgesetzt waren.
Einmal in Kopenhangen angekommen, hörte der Regen auf. Für fünf Minuten konnte ich mich durch die Stadt fortbewegen, ohne von Regen heimgesucht zu sein. 20 Minuten und 3 Kilometer vor meiner Jugendherberge, welche ich für die Nacht reserviert hatte, brach jedoch die Himmelsdecke ein weiteres Mal: Jetzt mit einer solchen Gewalt, das ich mir unter einem Baugerüst Unterschlupf suchen musste. Ich habe selten in meinem Leben so einen starken Regen gehabt, selbst die Autos blieben auf den Straßen stehen. Für 20 Minuten blieb die Welt stehen, zu mir hatten sich noch mehr Leute unter das Baugerüst gesellt.
Nach dem Regen kam jedoch sofort die Sonne heraus, so als wollte sie sich für den Regen entschuldigen und begleitete mich bis zu meiner Ankunft im Hostel. Ich war sehr erleichtert, als ich dort ankam, und konnte mich gleich mit dem nächsten Problem auseinander setzen: Meine Reservierung in der Jugendherberge war für einen Tag später aufgegeben, dank der netten Mitarbeiter am Schalter konnte dieser Fehler jedoch zügig behoben werden und ich erhielt die Zimmerkarte für mein Bett im Mehrpersonenzimmer. Nach drei Gängen zwischen Zimmer (im 8. Stock gelegen) und Fahrrad hatte ich all meine Sachen wieder an einem Ort und konnte die Ladeapokalypse starten – nach vier Tagen das erste Mal wieder mit Strom versogt sein hieß für mich, zwei Powerbanks, einen Drohnenakku, ein Tablet, ein Handy, eine Uhr und ein paar Kopfhörer möglichst effizient hintereinander aufzuladen.
One night in Kopenhagen
Nachdem die Geräte angeschlossen waren, ging ich kurz duschen und neue Kleidung anziehen, bevor ich noch etwas Kopenhagen erkunden wollte.
Ich machte mich auf, eine Essmöglichkeit für den Abend zu finden und wurde bei Kristinedal Burgers fündig. Der liebe Inhaber sprach lustigerweise deutsch, da er ein paar Monate in Deutschland studiert hatte. Satt und glücklich lief ich weiter durch die Stadt, am Trivoli (siehe unten) vorbei und bis ans Meer.
Insgesamt lief ich dann noch bei einem schönen Sonnenuntergang viele Kilometer durch die Stadt. Ich war leider nur diesen einen Abend in Kopenhagen, fand die Stadt aber sehr schön. Grade die Architektur ist beeindruckend, das direkt anliegende Meer ist ebenfalls toll.
Als ich wieder in die Jugendherberge einkehrte, fand ich auch meine weiteren Zimmerbewohner vor: Ein Philosoph zum Besuch in Kopenhagen wegen einer Konferenz und eine Reisende auf dem Weg weiter in den Norden, beide aus Deutschland. Dazu hatten wir noch einen mailändischen Fußballspieler im Zimmer, der ein Probespiel beim FC Kopenhagen hatte.
So konnten wir un am Abend uns noch über Gott, die Welt und den Mietpreisspiegel in München unterhalten, bevor wir gegen 22:00 Uhr schlafen gingen. Bei unserem Gespräch stellten wir nebenbei eine Faszination für den Philosophen Friedrich Nietzsche fest, die wir alle teilen.
An dem Abend habe ich gelernt, dass manchmal auch ein Hostel zwischen dem ganzen Zelten hilfreich ist. Mal seine ganzen Geräte laden zu können und entspannt duschen zu gehen hat seinen Charme, dazu findet man in gemischten Mehrbettzimmern immer sehr interessante Menschen vor. An dieser Stelle viele Grüße an meine Zimmerkumpanen dieser Übernachtung :).
Dänische Hügel-Tour nach Vordingborg
Eigentlich hatte die Radtour an allen Tagen ein gemeinsames Thema: Viel Abwechslung. Die Landschaften, welche ich durchfuhr, waren zwar größtenteils flach und etwas eintönig, dafür durchquerte ich viele verschiendene Ortschaften und Steckenabschnitte, so hatte ich am Tag zuvor von Landstraße bis Radweg alles Mal befahren. Diese Abwechslung sollte sich an diesem fünften Tag ändern, als ich aus Kopenhagen nach Vordungborg fuhr.
Raus aus Kopenhagen
Als ich um 9:30 Uhr in meiner Jugendherberge aufstand, waren meine restlichen Zimmergenossen bereits unterwegs. Mit wieder aufgeladenen Powerbanks und meiner (etwas getrockenete) Kleidung bestückte ich meine Packtaschen wieder und trug sie nach und nach zu meinem Fahrrad, wo ich sie montierte und dabei versuchte, das Fahrrad nicht umfallen zu lassen: Aufgrund der asymetrischen Beladung nachdem die ersten Packtasche angebracht war, viel das Fahrrad einfach um – also stellte ich die Packtaschen neben das Fahrrad während ich die nächste holte, in der Hoffnung, dass keiner Interesse an einer Packtasche, gefüllt mit Kleidung und meiner Drohne, Interesse hatte. Nachdem ich das restliche Gepäck beisammen hatte, konnte ich das Fahrrad beladen und mich aufmachen, raus aus Kopenhagen.
Nach den ersten Kilometern nahm bei starkem Wind der Großstadtjungel langsam ab und ich kam auf die Landstraße Nummer 151, die mich die nächsten 90 Kilometer bis nach Vordingborg begleiten sollte. Womit ich nicht gerechnet hatte: Dänemark ist hügelig. Nicht bergig, aber mir standen viele dutzend Hügel mit 30-90 Metern Erhebung bevor.
Sobald ich auf dem Land war, kam ich auf die Idee, nach Essen zu suchen – leider war ich mit diesem Einfall viel zu spät dran, auf dem Land konnte ich bis Vordingborg keine größere Ortschaft mehr finden, bei der ein Restaurant oder ein Supermarkt offen hatte (mehr als 30 Minuten Umweg wollte ich nicht für mein Essen einbauen in die Route). Als es dann knapp auf der Hälfte der Strecke bei der Ortschaft Rode es auch anfing zu regnen, setzte ich mich für 30 Minuten in ein nachgebautes amerikanisches Dorf, „Bournonvilles Wild West“ genannt.
Los gehts in Kopenhagen: im Moment mit starken Gegenwind, hoffentlich ändert sich das noch 🌬
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 10, 2021
Küstenwetter, man muss es einfach lieben 🌧 pic.twitter.com/eTUYVUQ2n4
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 10, 2021
Nachdem ich mich in dem (auch im amerikanischen Baustil realisitsch gehaltenen Gebäuden, da selbst durch die Decke es noch gut tropfte) Haupthaus des kleinen Dorfs hinsetzte (offen hatten sie an diesem Tag leider nicht), begann es dann einmal mehr richtig zu schütten.
Immerhin hatte ich mitten auf dem Land besten 5G-Empfang, weshalb ich zumindest in der Zeit die letzten Nachrichten durchgehen konnte. Während des Schauers kam dann noch die Besitzer des Hofs vorbei, mit dem ich mich unterhalten konnte. Ein netter Herr, so amerikanisch wie ein Däne nur hätte seien können – er fuhr einen großen 4×4-Pickup-Truck und trug, auch bei strömenden Regen, einen Cowboyhut. Nachdem es danach aussah, dass der Regen gleich wieder aufhörte, setzte ich mich abermals auf das Rad. Für keine zwei Minuten konnte ich im Nieseln weiterfahren – dann kam der nächste Regenschauer, welcher mich diesmal in einen Baumstreifen abseits der Fahrbahn trieb. Dort wollte ich mich eigentlich unterstellen, leider waren die Bäume durch den letzten Regenschauer schon nass und boten so kaum Schutz mehr. Also wurde ich ein weiteres Mal auf der Tour komplett nass.
Immerhin dauerte dieser Regenschauer nur wenige Minuten an, sodass ich recht zeitnah weiter fahren konnte, weiter in die Richtung der deutschen Grenze.
Ein letztes mal campen
Etwas frustriert von dem ganzen Regen machte ich mich auf, um die nächsten 40 Kilometer bis zu meinem Tagesziel zu fahren.
Diese Strecke zog sich noch einmal gut, da weiterhin viele Hügel die Fahrt erschwerten. Außerdem war die ständig eintönige Landschaft nicht sonderlich spannend zum Durchqueren, die Landstraße mit dem kleinen „Radstreifen“ (eigentlich nur der Seitenstreifen der Straße mit max. 35 cm Breite ohne physikalische Trennung zur Straße) nebendran machten wirklich die Tour zu einer der härtesten, vor allem für den Kopf – von der Kondition war alles im grünen Bereich.
Sehr glücklich erreichte ich gegen 17:15 Uhr meinen Campingplatz in Vordingborg. Ein weiteres – und vorerst letztes Mal – baute ich mein Zelt auf, packe die Radtaschen ab und machte mich auf die Suche nach Abendbrot. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, noch einmal circa 30 km pro Strecke zu einem Restaurant weiter in den Süden zu fahren (= insg. 60 Kilometer), dieses Vorhaben brach ich nach den ersten Minuten allerdings ab, da ich genug Energie für die nächsten Tage haben wollte und die Fahrt mich ziemlich ausgelaugt hatte.
Deshalb besuchte ich einen schwarzen Netto in Vordingborg, dort kaufte ich mir ein kleines Abendessen. Aus klein wurde aber mit der minimalen Abnahmemenge Brötchen von sechs Stück auch nichts mehr, so kaufte ich dann gleich noch für das kommende Frühstück und Mittag Belag und machte mich wieder zum Campingplatz auf.
Dort angekommen aß ich erst Abend, dann machte ich mich mit der Drohne nochmal ein bisschen zu Fuß an der Küste auf.
Zurück Deutschland - Über Gedser nach Rostock
Aufstehen. Frühstücken. Zelt zusammenpacken. Fahrrad beladen. Losfahren.
So oder so ähnlich hatte ich mich bereits an die morgen der Radtour gewöhnt, und so begann ich auch am inzwischen sechsten Tag der Reise wieder gleich.
An diesem Tag sollte meine Radtour mich zurück nach Deutschland führen, am Nachmittag bräuchte ich noch eine Fährverbindung – diese hatte ich nicht vorgebucht, deshalb wollte ich möglichst schnell nach Gedser, dem Grenzort mit dem Fährhafen, kommen.
Gedser und noch mehr Regen
Nach dem Überfahren einiger großen Brücken über die Fjorde der südlichen Inseln Dänemarks ging es in gewohnter Landschaft Dänemarks rund 55 Kilometer bis nach Gedser. Auch an diesem Tag kam ich zwischenzeitlich in einen großen Regenschauer: Dunkle Wolken verfolgten mich auf der ganzen Strecke von Vordingborg bis nach Gedser und auf die Fähre, diese brachen auf einmal am Mittag und lieferten einen Platzregen, wie ich ihn auch schon in Kopenhagen erlebt hatte. Dieses Mal hielt der Platzregen aber nur für wenige Minuten an.
Der Regen, als ich das Video aufnahm, war schon fast wieder abgeklungen, zwischenzeitlich überschwamm sogar der Gulli vor mir.
Nach diesem Regen hielt die Bewölkung die restliche Strecke bis Gedser ohne weiteren Regen, sodass ich wieder weiter meinen Weg zur Grenzstadt führen konnte.
Der südlichste Punkt Dänemarks
In Gedser angekommen zog ich zuerst ein Fährticket für die nächte Fahrt, welche mich nach Rostock bringen sollte. Da diese Fahrt jedoch rund eine Stunde in der Zukunft lag, entschied ich mich noch dazu, einen Abstecher zum südlichsten Punkt Dänemarks zu machen: dem Gedser Odde-Park direkt an der Küste Dänemarks.
Nachdem ich mit meiner Drohne geflogen, ein paar Fotos sonst von der Umgebung und (ganz wichtig, sonst erwähne ich das hier in dieser Reisegeschichte kaum, da in der Zeit so wenig passiert) ein paar Minuten einfach ausgeruht hatte, ging es zügig zurück in Richtung Fährhafen.
Die paar Kilometer waren schnell gefahren, leider war das Schiff bei meiner Ankunft noch nicht einmal im Hafen. Schade, dann hätte ich auch länger in Odde bleiben können – aber mir war lieber, das letzte Schiff des Tages zurück nach Deutschland zu bekommen als die Minuten noch am Strand zu sitzen.
Rund 30 Minuten nach meiner Ankunft im Hafen und 40 Minuten nach offizieller Boarding-Zeit kam dann auch gemächlich die Fähre in Gedser an, nach einem kurzen Ausladen konnten wir als kleine Radfahrergruppe auch schon die Fähre befahren.
Auf nach Deutschland
Die Fähre der Scandlines (Taufnahme „Copenhagen“) war im Vergleich zu den zwei vorherigen Fähren recht unspäktakulär, mit einer Ausnahme: Auf der Fähre ragt ein 30 Meter großes Rotorsegel aus dem Deck.
Dieser Flettner-Rotor ist ein mehr als 100 Jahre altes Antriebskonzept, welches durch Rotation eines großen Zylinders, welcher während der Fahrt von E-Motoren schnell gedreht wird, sodass paradoxerweise durch die einseitige Stauung und gegenseitige Beschleunigung von Luft ein Vorwärtsschub erzeugt wird.
Das Konzept, welches hinter dieser Segeltechnik steht, nennt sich Magnus-Effekt. Auf der Fähre selber habe ich die Wirkweise trotz lehrreicher Werbefilme über die 4-5% CO2-Einsparung des Segels bei Benutzung nicht verstanden, was es genau mit diesem Magnus-Effekt auf sich hat, dieser hat sich mir erst jetzt beim Schreiben dieses Beitrags durch lesen des Wikipedia-Artikels erschlossen.
Mit diesen 4-5% CO2-Einsparungen tuckerte ich für 2,5 Stunden und 100 Kilometer über die Nordsee, bevor deutsches Land in Sicht war.
Ich fahre eigentlich gerne Schiff, auch über längere Distanzen, doch freute ich mich bei dieser sehr auf Rostock. Erstens hatte ich keinerlei Beschäftigungen auf dem Schiff, weder „duty-free“ shopping noch das sehr kantienenmäßige Restaurant waren für mich das Richtige, auf den wenigen Sitzen auf dem Deck konnte ich mir auch es nicht wirklich gemütlich machen. Zweitens wollte ich in Rostock so früh wie nur irgendwie möglich sein, da am nächsten Tag eine Strecke anderere Dimension wartete – vor Aufbruch zu dieser wollte ich zumindest noch kochen und ein paar Stunden schlaf bekommen.
Zurück in Deutschland: Rostock
Genau um 18:00 Uhr betrat ich wieder deutsches Gebiet, in Form des Fährhafens Rostock. Noch vor allen anderen Kraftfahrzeugen durften wir als Fahrradfahrer die Fähre verlassen, kurz darauf kamen auch die LKWs.
Durch die schnell aufholenden LKWs hinter mir ließ ich mich wohl etwas stressen und, zumindest kann ich mir es nicht anders erklären, verpasste den Fahrradabzweig der Straße. Zumindest fuhr ich plötzlich auf einer recht engen Straße in Richtung einer Brücke weiter mit den LKWs zusammen, auf der Umkehren und sogar reines Anhalten echt gefährlich geworden wäre. Als ich an einem Tempo 50-Schild vorbei fuhr, beschloss ich, die Situation durch möglichst schnelles Fahren am ehesten noch entschärfen zu können (ich bin in der Situation selten der, der dann die Fahrzeuge hinter mir warten lassen will; selbstverständlich liegt eine Risikoabschätzung dieser Entscheidung immer vor): Mit voller Bepackung beschleunigte ich am Berg (!) bis auf 50 km/h, die wohl anstrengensten 30 Sekunden der gesamten Reise – oben angekommen konnte ich bei einem Kreisverkehr mit einer kleineren Ausfahrt mir etwas Zeit zum Verschnaufen nehmen. Mein Herzschlag hatte in der kurzen Zeit die 200 Schläge pro Minute erreicht, also wahr ich sehr erleichtert über die Pause.
Nach diesem „aktiven Start“ in das deutsche Bundesgebiet wurde ich gleich mit der Radwegsituation in Deutschland wieder vertraut:
Zurück in Deutschland 😼 pic.twitter.com/GjGW7DiPMV
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 11, 2021
Bis zu meiner Herberge in Rostock-Marienehe waren es noch 14 Kilometer, diese konnte ich jedoch in schöner Abendstimmung entlang der Unterwarnow entspannt fahren. Eine Stunde nach meiner Ankunft in Rostock, um 19:00 Uhr, kam ich so in meinem kleinen Hostel an. Dort machte ich mich direkt auf den Weg zum nächstgelegenen Supermarkt, wo ich Nudeln und sonstige Verpflegung für den Abend einkaufte.
In der Herberge angekommen boten mir jedoch zwei Urlauber aus Sachsen an, bei Ihnen mitzuessen – dieses Angebot nahm ich gerne an, so konnte ich ohne noch kochen zu müssen Nudeln mit Gemüse und viel Curry und Käse essen. Dafür übernahm ich den Abwasch, dabei unterhielt ich mich noch mit den beiden Sachsen. Für mich war ganz interessant, mal statt über „die Ostdeutschen“ direkt mit zwei Personen, in deren Meinungen und Glaubensbildern ich mich nur schwer wiederfinden konnte, sprechen zu können.
So redeten wir über die Existens des menschengemachten Klimawandels und den Sinn und Unsinn von Dieselfahrverboten, sowie den Zustand der CDU – bei letzerem konnten wir uns, wenn auch von anderen Richtungen auf die Lage schauend, gut auf „mieserabel“ einigen, wenigstens ein gemeinsamer Nenner. Dabei war das Gespräch trotz der enormen thematischen Differenzen sehr angenehm und ich wurde sogar noch auf Rum und Milch (interessante Kombination!) eingeladen, lehnte aber in Angesicht der nächsten Tour dankend ab.
Gegen 22:00 Uhr schlief ich entspannt in einem Vierbettzimmer ein, jedoch begegnete mir schon bei dem Einstellen des Weckers auf 3:30 Uhr ein leichtes Unbehagen.
Von Rostock in die Bundeshauptstadt - Hypermiling auf dem Fahrrad
Fast jeden Tag konnte ich bisher ausschlafen. Nach dem vielen Fahrradfahen am Tag davor war das sicher auch nötig, doch dieses Privileg mit Schlafen bis 09:00 Uhr oder 10:00 Uhr hatte ich an diesem siebten Tag der Radreise nicht.
Es ist 3:10 Uhr, ich wache auf. Eigentlich war mein Wecker auf 3:30 Uhr gestellt, aber wegen dem sehr lauten Schnarchen eines Mitschläfers in meinem Zimmer sowie der Anspannung auf die kommende Radstrecke war ich schon vor dem Wecker wach.
Schnell packte ich die paar Sachen von mir im Zimmer zusammen und holte aus der Küche einen kalten Kaffe sowie etwas Wegzehrung. Danach brachte ich mein bereits vorbereitetes Fahrrad raus auf die Straße, warf den Schlüssel des Hostels in den dafür vorgesehenen Briefkasten zum Auschecken und bereitete die Navigation nach Berlin vor.
Los geht die Tour
251 Kilometer, 12 Stunden, 57 Minuten.
Mit dieser Rechnung von Google Maps starte ich um 03:25 Uhr das Fahrradtraining auf meiner Uhr. Ich hatte die volle Fahrradmontur an, aber noch mit einer weiteren Jacke „obendrauf“, die Nächte waren doch kühl. Alle Geräteakkus waren komplett geladen, um den Akku meiner Uhr machte ich mir am meisten Sorgen in Anbetracht der kommenden Tour – ich hatte aber Powerbanks griffbereit, um bei kurzen Stopps den Akku zu laden.
Also los. Aus dem Rostocker Industriegebiet ging es durch die menschenleere Stadt, in der ich weder ein Auto noch einen anderen Verkehrsteilnehmer sah, raus aufs Land.
Ein toller Nachthimmel zeigte sich, als ich die ersten Kilometer nach Berlin über unbeleuchtete Streckenabschnitte bis nach Niendorf fuhr.
Dort blieb ich das erste Mal für diesen Tag unweigerlich stehen, da der Radweg abrupt und ohne ersichtlichen Grund in einer Wiese endete. Also schub ich das Fahrrad über den kleinen Erdhügel, der die Wiese von der daneben verlaufenden Landstraße trennte. Auf dieser Landstraße fuhr ich die nächsten Kilometer über Benitz nach Schwaan, von dort weiter nach Güstrow.
Im Primerwald, kurz vor der Unterqueerung der A19, konnte ich etwas frühstücken. Danach schwang ich mich jedoch direkt wieder aufs Fahrrad, um in den frühen Morgenstunden noch weiter gut Stecke zu fahren.
Der Übersicht zuliebe alle Bilder der Tour bis zum Sonnenaufgang in einem Karussell:
Die ersten 50 km Waren sehr gut fahrbar, mal sehen wie es weiter geht 🙌 pic.twitter.com/omDZMKSGGg
— Paul Goldschmidt (@PauIGoldschmidt) August 12, 2021
Kurz nachdem ich den Tweet über die gute Befahrbarkeit der ersten 50 Kilometer verfasste, kam es wie es kommen musste: Ich verfuhr mich in Langhagen.
Google Maps schickte mich, wie ich später feststellte, über einen Teilbereich des Betriebsgeländes von dem örtlichen Ableger Heidelberg Cements, auf dem dann plötzlich der Weg vor einer Bahnschiene endete. Also wieder umkehren, die letzen 1,5 Kilometer zurückfahren und eine alternative Strecke finden.
Meine ausgesuchte Route um das Betriebsgelände herum auf einem offiziellen Radweg, welcher sich jedoch in einem sehr schlechten Zustand befand, führe durch ein Waldstück, in dem ich durch eine wegbreite Pfütze fahren musste. Diese unterschätze ich jedoch komplett in ihrer Tiefe, sodass meine Fahrradtaschen eine gratis Unterbodenwäsche bekamen, meine Gangschaltung für die restliche Tour leicht schliff und Geräusche machte (direkt nach dem durchfahren der Pfütze konnte ich auch nicht mehr korrekt schalten, dies erledigte sich zum Glück recht schnell).
Nach dieser Überraschung führte mich mein Weg durch viele Waldstücke, jedoch auf guten Fahrradwegen immer weiter weg vom Meer, welches ich noch in der Dunkelheit verlassen hatte.
Gegen 10:00 Uhr war ich glücklich, an dem ersten großen Checkpoint der Tour angekommen zu sein: Waren, ein Erholungsort vom Feinsten, bat mir die Möglichkeit, einmal nach 106 Kilometern auf dem Fahrrad durchzuatmen und die schöne Sicht zu genießen, bevor es abermals weiter ging:
Nach diesem wichtigen Punkt auf der Route (auch weil ich innerhalb von Waren die 100 km-Marke knackte) fuhr ich einen Fußtrampelweg entlang, bis ich für den Ausblick bei der Aussichtsplattform „Kuhtränke“ anhielt, um einen Blick über den Feisnecksee zu bekommen. Auf dieser Plattform war zeitgleich eine Gruppe Rentner gestoppt, die sich an diesem Tag auf einer Wanderung befanden. Ich kam mit der Gruppe in das Gespräch und erzählte den interessierten älteren Herren über meine Fahrradreise und meine Pläne, an diesem Tag noch bis nach Berlin zu fahren. Diese wollten mich daraufhin noch zum Essen einladen, dieses Angebot lehnte ich dankend ab. Ich freute mich insgeheim aber total, das diese älteren Herrschaften so freundlich, interessiert und respektvoll waren.
Die nächsten Streckenkilometer verliefen dann wieder unspektakulärer, für mich war ein kleines Highlight aber noch das Passieren des Flugplatzes Müritz Airpark: Auf diesem Gelände findet jährlich (wenn nicht COVID die Durchführung verhindert) ein Festival mit dem Namen „Fusion“ statt, welches mir immer wieder empfohlen wird. Vielleicht klappt es ja 2022, auch diese Erfahrung einmal zu bekommen. Jetzt weiß ich zumindest, zu welchem Ort ich müsste. Um dieses Gelände vollständig zu sehen, nahm ich einen weiteren unbefestigten Waldweg, welcher aber dankenswerter Weise wieder in einem größeren, befestigten Weg mündete. Ich sparte mir sogar durch diese Routenabweichung ein wenig Zeit.
Kurz nach dem Airpark stand auf der Uhr, welche die Route trackte, vom Sichtpunkt der Kilometeranzahl der nächste Erfolg angezeigt: Ich passierte die 126 km-Marke, die (erhofte) Hälte meiner Tour.
Softwarefehler, Hitzeprobleme und ein Mittagessen
Nach dem Besuch auf des Fusion-Geländes fuhr ich weiter in Richtung Mirow, wo nach 143,5 Kilometern Strecke und 9 Stunden Fahrzeit etwas sehr Interessantes passierte: Erstens aß ich in einem türkischen Imbiss einen Kebab, füllte meine Flaschen auf und kühlte mich ab, vor allem aber wurde die Trainingsapp auf meiner Uhr instabil. Als ich diese Instabilität erstmals beobachtete, ging ich erstmal von einem heruntergetakteten Uhr-Prozessor aus, der mit der Hitze und der Belastung durch das dauerhafte Mitschneiden der Strecke nicht zurecht kommt; doch ließ ich nach Mirow das Training erstmal weiter laufen, da die Strecke und Zeit ganz normal weiterzählte. Im Nachhinein habe ich herausgefunden, dass exakt bei Kilometer 143,5 die GPS-Aufzeichnung vorerst endete.
Zunächst ging es aber gestärkt, wenn auch etwas fertig von dem ganzen Radfahren, insbesondere vom Wetter und der Sonne, welche an diesem Donnerstag ganz besonders stark scheinen wollte, weiter.
Den nächsten Meilenstein überfuhr ich in Prebelow, einer kleiner Streusiedlung am großen Prebelowsee: Die Grenze von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.
Als ich dann 20 Kilometer weiter, in dem kleinen Ort Schulzendorf, die Uhr und damit die Trainingsaufzeichnung überhaupt nicht mehr zum Reagieren bringen konnte, startete ich das Training neu – damit wurde weiter die Tour, insbesondere aber auch wieder die Strecke aufgezeichnet. In dem selben Ort kaufte ich beim Bäcker noch ein kleines süßes Teil sowie Wasser – leider konnte ich nicht meine Flaschen auffüllen, sodass ich nach freundlichem Fragen bei einer jungen Familie Wasser abfüllen durfte.
Die Strecke bis Oranienburg wurde für mich zur Tortur, denn weiterhin enorme Temperaturen ließen schnell meinen Wasservorrat schwinden, zudem wurde ich zunehmend erschöpfter und erschöpfter. Allen voran wurde ich bei Lindow (Mark) von Google Maps für mehr als fünf Kilometer quer durch den Wald geschickt – 34 Minuten Tortur auf Sandboden, durch Gebüsch und Gestrüpp, arbeiteten wirklich an der Motivation – als ich endlich wieder richtig fahren konnte, waren bis zum Ziel weiter 70 Kilometer zu fahren, und diese ohne Pedalhaken auf der rechten Seite – jener war auf der Waldstrecke gerissen. Ich versuchte noch, in Löwenberg, einem kleineren Ort in der Mark, diese bei einem kleinen Fahrradgeschäft (mit sehr herzlichem Inhaber Peter Block, der mir gegen eine kleine Spende zumindest einen Lappen zum groben Reinigen der durch die Waldfahrt stark in Mitleidenschaft gezogene Kette und Kettenöl gab) zu ersetzen. In Löwenberg war ich zusätzlich noch in einem Supermarkt (Aldi Nord, für mich als Süd-Fraktion immer eine echte Umstellung in Sortierung und Sortiment) und kaufte Getränke, insbesondere isotonische, ein.
Weiter nach Oranienburg fuhr es sich gut, da ich nur noch offizieller Beschilderung und einem richtigen Fahrradweg folgte: Die größere Strecke machte sich durch höhere Geschwindigkeiten und mehr Spaß beim Fahren positiv bei meiner Motivation bemerkbar.
Trotzdem dachte ich in Oranienburg für einen Augenblick darüber nach, doch mit der S-Bahn bis nach Berlin zu fahren, denn ich war inzwischen sehr erschöpft und weitere 32 Kilometer durch größtenteils Stadt waren kein wichtiger Motivationsgrund, auf den man sich freuen konnte. Doch nichts da! Diese Tour wird jetzt hinter sich gebracht.
Auf der Zielgeraden
Um 19:30 Uhr überfuhr ich schließlich die Grenze nach Berlin. Nach Durchfahren des Waldgeländes Frohnau konnte ich endlich das auf der Strecke langersehnte Berlin erleben: Die Bundeshauptstadt, übersäht mit Wahlplakaten zur Bundestagswahl und großen Straßen, aber auch erstaunlich vielen Radspuren und Parkwegen, welche sich angenehm fahen ließen, glänzte mit all ihrem Kontrast zwischen Moderne und Vergangenheit, Schönheit und Unübersichtlichkeit und doch Vertrautheit.
Mit einer kurzen Nachricht kündigte ich mich bei dem Freund an, mit dem ich noch Essen gehen wollte, dass ich schon bald da wäre.
Entlang der Ringbahn führten die letzten Kilometer mich auf vollen Straßen rund um das Zentrum, in dem ich die Nacht verbringen wollte. In Friedrichshain bog ich dann in Richtung meiner Unterkunft für die Nacht ein, glücklich, die Tour geschafft zu haben.
So erreichte ich um 21:00 Uhr nach 1,5 Stunden reinem Fahren im Berliner Stadtbezirk dann tatsächlich Stayery, meiner Unterkunft in Berlin.
Meine Tour an diesem Tag war eine Strecke von 264,55 Kilometer in 15 Stunden, 11 Minuten und 52 Sekunden – und damit einem Durchschnittstempo von 17,63 km/h. Dabei habe ich 960 Höhenmeter überwunden, insgesamt 6.969 KCal verbrannt und 17 Stunden 25 Minuten unterwegs verbracht.
Nachdem ich mein Fahrrad verstaut hatte, ging ich noch asiatisch Essen und auf die Tour anstoßen – danach genoss ich eine wohlverdiente Dusche und schlief schnell ein, wohl wissend, dass am nächsten Tag es gleich wieder weiter gehen würde, für eine letzten Streckenabschnitt in die Lausitz.
Elon Musk, Armin Laschet und "Hallo, Lausitz"
Eine weitere Etappe nach der Rostock-Berlin Fahrt brachte mich zum neuen Tesla-Gelände nach Grünheide, wo ich zufällig Elon Musk und Armin Laschet kreuze – von dort ging es weiter in die Lausitz.
Der Morgen danach
Nach neun Stunden Schlaf in der Bundeshauptstadt ging es ohne den überall erwarteten Muskelkater wieder daran, meine sieben Sachen zusammen zu packen, das Fahrrad zu beladen und sich auf zu machen – für eine letzte Tour bis in die Lausitz, wo meine Reise fürs Erste enden würde.
Doch bevor diese letzte Tour richtig los ging, wollte ich noch ein bisschen Zeit in Berlin verbringen, wenn man doch schon einmal in der Stadt ist.
So verbrachte ich den Morgen im Treptower Park, mit einem kurzen Ausflug zum sowjetischen Ehrenmal Treptow.
Ab in die Grünheide!
Nach dem schönen – und im Vergleich zum Vortag ausgesprochen entspannten – Vormittag, ging es für mich weiter in die Grüneheide, wo ich mir das Tesla-Werk einmal aus nächster Nähe anschauen wollte, nachdem ich dieses bereits in hunderten Artikeln in beschriebener Form nur von der Größe vorstellen konnte.
Die Strecke führte mich aus dem Herzens Berlin heraus durch den Plänterwald, durch Köpenick, dann ein kurzes Stück entlang der A10 und dann nach Grünheide (Mark), wo ich nach weniger als zwei Stunden und 36,6 Tour-Kilometern zum Teslawerk, wo ich mit einer größeren Menschenansammlung konfrontiert wurde.
Ohne es vorher geplant zu haben oder sonst in jediglicher Form zu wissen, hatte ich genau den Tag für meinen Besuch des Geländes gewählt, an dem Elon Musk und Armin Laschet (für die, die den Namen inzwischen vollständig aus dem Gedächnis gestrichen haben: Armin Laschet war Kanzlerkanidat der CDU für die Bundestagswahl 2021 und wohl die größtmögliche Fehlbesetzung, die möglich war) das neue Tesla-Werk in Grünheide besuchten.
Deshalb hatte sich eine größere Gruppe demonstrierender Menschen, größtenteils Anwohner Grünheides, um die Zufahrten zum Gelände gescharrt. Ich fuhr mit meinem vollbepackten Fahrrad entlang der demonstrierenden Menschen, bis ich direkt an dem Zaun des riesigen Areals stand. Dort konnte ich einen recht guten Überblick über das Gelände bekommen, den ich jedoch noch mit meiner Drohne aus einem anderen Winkel festhalten wollte. Deshalb ging ich auf sichere Distanz zum Gelände, weit weg von der Menschenansammlung und lief meine Drohne steigen. Aus rechtlichen Gründen war ich darauf bedacht, mit meiner Drohne nur über noch öffentlich zugänglichen Baugrund zu fliegen, um mögliche No-Fly-Zones zu vermeiden.
Allen voran entstand bei dem Flug ein riesiges Panorama, welches man mit meinem eingebetteten Panorama-Viewer gut bestaunen kann:
Das Panorama ist in voller Größe mehr als 140 Megabyte groß (und das schon mit JPG-Kompremierung, die TIFF umfasst rund einen Gigabyte) und besteht aus 21 RAW-Fotos, welche ich in Lightroom zu einem Panorama „gestitched“ habe, um es dann auf der Panorama-Seite hochzuladen; dieses kann aber nicht von allen Browsern dargestellt werden.
Nächster Stopp: Cottbus
Nach dem Abstecher in Grünheide stieg ich in einer RE-Bahn in Richtung Cottbus, um die Strecke durch die Lausitz nicht komplett an diesem Tag fahren zu müssen. Diese kannte ich bereits und nochmal 110 Kilometer waren mir auch nicht so wichtig, zumal in Forst, dem Zielort meiner Reise, bereits auf mich gewartet wurde.
Nach fast 2 Stunden Fahrt kam ich dann in Cottbus an – dem letzten Checkpoint meiner Reise vor dem Ziel.
Déjà-vu in der Lausitz
Nach Cottbus waren noch weniger als 30 Kilometer bis zu meinem Ziel zu fahren. Nach wenigen Minuten verließ ich Cottbus und fuhr entlang eines schönen Parks in richung meines Ziels. Mir fiel auf, dass auf einmal die Wegweiser zweisprachig wurden – neben Deutsch waren nun auch die Ortsnamen in sorbisch angegeben.
Nach Cottbus, gedanklich schon fertig mit der Tour, bekam ich auf den letzten 14 Kilometern der Reise nochmal eine komplette Wiederholung der Landschaften, welche ich in den sieben Tagen davor durchfahren war: Erst durch ein kleines Dorf, dann rein auf einen Waldweg und noch einmal querbeet durch den Wald – inklusive durchdrehender Reifen wegen fehlender Haftung auf dem Sandboden und vielen hochstehenden Pflanzen. Danach auf einen wunderbaren Fahrradweg entlang des Südrandschlauchs und weiter in Richtung Forst.
Auf den letzten Kilometern überquerte ich noch (schiebend) eine große Wiese, die Google Maps als Radweg eingespeichert hatte.
Nachdem dies geschafft war, war ich endlich an meinem Ziel angekommen; nach zwei Stunden Fahrt für unter 30 Kilometern (danke, Wald!) traf ich schließlich am Abend des 13. August 2021 auf meine Familie in Forst, nach acht Tagen, sieben Nächten und rund 1.000 Kilometern auf dem Fahrrad.
Dort angekommen, entlud ich mein Fahrrad ein (vorerst) letztes Mal, nach duschen und umziehen konnte ich dann ein tolles Abendessen genießen.
Epilog #1: Eine Herausforderung in 1.003 km
Und so schnell gingen acht Tage rum. Jeden Tag auf dem Fahrrad haben mich 1.003 Kilometer entlang der skandinavischen Küste bis nach Rostock, von dort rein nach Deutschland und bis in die Lausitz gebracht. Die von Google Maps berechneten 1.069 Kilometer für diese Tour sind zu hoch gegriffen, da ich von Grünheide bis nach Cottbus mit der Bahn abgekürzt habe; dafür fehlen viele Umwege und kleinere Ausflüge in dieser Route.
Die Reisezeit von acht Tagen war auf jeden Fall an der unteren Grenze der möglichen Dauer – 125 Kilometer am Tag im Schnitt sind zwar gut machbar, aber mit der Beladung und ohne Ruhetage wären ein, zwei Tage mehr auch nicht schlecht gewesen. Auf jeden Fall war dieses Abenteuer so eine sportliche Herausforderung, die ich aber jedem empfehlen würde.
Die Kosten einer Tour wie dieser
Nicht nur für mich, sondern auch allgemein, ist die Frage nach den Ausgaben bei so einer achttägigen Radreise interessant. Deshalb habe ich alle meine direkten Ausgaben in einem Google-Sheet aufgeschlüsselt:
In der Summe von rund 270 Euro sind wie schon oben erwähnt nur die direkten Kosten, die mir auf der Reise entstanden sind, aufgeführt – Positionen wie Verschleiß des Rades oder weitere eventuell benötigte Teile (zum Beispiel den Smartphonehalter für den Lenker, den ich jedem empfehlen würde) sind nicht in der Rechnung inkludiert. Außerdem ist anzumerken, dass ich in der Zeit sehr sparsam gelebt habe und auch das ein oder andere Mal wild gecampt habe; wenn man hier nicht so flexibel ist, sollten nochmal 75 Euro auf die Kosten addiert werden. Außerdem habe ich bereits Essen für vier Mahlzeiten aus Deutschland mitgenommen und konnte so gut Geld sparen. Denn Skandinavien ist nicht nur sehr schön, sondern auch sehr teuer – 14 Euro pro Essen sollte man im Schnitt einplanen, wenn man sich nicht komplett von Essen aus dem Supermarkt ernähren möchte. In diesem Fall würde ich auf jeden Fall einen Campingkocher und entsprechendes Besteck einpacken, mit Packtaschen am Vorderrad sollte das Transportieren kein größeres Problem darstellen.
Reisen nach Skandinavien in Corona-Zeiten (Stand: August 2021)
Ein sehr kurzer Abschnitt: Zusammengefasst sind Radreisen praktisch unbeinflusst durch Corona. Mögliche Reisebeschränkungen würde ich dringend vor Abfahrt nachschauen, bei meiner Tour war weder Dänemark noch Schweden ein Risikogebiet. Den digitalen Impfpass würde ich als Backup ausdrucken, dann ist man selbst ohne Smartphone noch auf der sicheren Seite.
In Schweden galten zur Zeit meiner Reise praktisch keine Corona-Auflagen mehr, selbst Maskenpflicht in Innenräumen herrschte nicht. Dänemark war von den Auflagen mit Deutschland vergleichbar, hier waren Masken die Pflicht. Also unbedingt genug medizinische Masken einpacken!
Warum ich alleine gereist bin
Schon während meiner Reise wurde ich auf Twitter mehrmals gefragt, warum ich dieses Abenteuer alleine angegangen bin. Kurzum:
- Die Reise war sehr spontan. Eine*n Mitbestreiter*in so spontan zu finden, wäre deshalb sehr, sehr schwierig geworden.
- Die Strecke war für mich unbekannt, die Distanzen teilweise sehr hoch. Vor Abfahrt ließ sich bereits absehen, dass die ein oder andere Tour eine Herausforderung wird. Damit sind sowohl die Strecke (max. 280 Kilometer am Stück) und die mentale Belastung (siehe die dänische Hügeltour) nicht zu unterschätzen. Mitfahrer hätten sehr (tour-) erfahren sein müssen, damit das Risiko von Verletzungen minimal gehalten werden konnte.
- Das Equipment war genau für eine Person ausgelegt. Ich hatte ein sehr kleines Zelt und auch nur eine Isomatte, für zwei Personen hätte ich nochmal kreativ werden müssen.
Epilog #2: Kleine Tipp-Sammlung für Langstrecken-Reisen mit dem Fahrrad
Kein Blogartikel dieses Art wäre vollständing ohne das obligatorische „was habe ich jetzt eigentlich gelernt?“.
Bei mir waren es vorallem die folgenden Punkte:
- Reise leicht: Je mehr Gepäck, dest träger wird das Fahrrad. Außerdem ist auf ungeplanten Ausflügen auf sandigen Waldwegen jedes Kilogramm Gepäck ein Grund mehr für die Reifen, die Haftung zu verlieren und durchzudrehen. Aus Erfahrung: Sehr nervig!
- Flexibilität ist wichtiger als die perfekte Planung: Ich habe wirklich nur den groben Rahmen der Reise geplant und mich an den einzelnen Tagen nach Wetter, der Qualität der Radwege sowie der Uhrzeit gerichtet.
- Ein Ruhetag schadet auch nicht: Ich hätte mir gewünscht, z.B. in Kopenhagen, mehr Zeit für die Stadt zu haben und dabei etwas zu entspannen.
- Doppelkekse retten verlorene Motivation: Schneller Blutzucker hilft auf den letzten Kilometern nochmal ungemein, Fokus und Motivation zurück zu gewinnen.
- Genug Saft einpacken: Powerbanks sparen Geld & Stress: Ich hatte auf der Reise 2x 20.000 mAh-Powerbanks (2x 72 Wh) von Anker dabei, die mich rund vier Tage mit viel Navigation auf dem Handy durch die Reise gebracht haben. Auf den Zeltplätzen konnte ich so die billigeren Stellplätze ohne Strom nehmen und musste mir keinen Stress machen, an die notwendige Akkuladung für den nächsten Tag zu kommen.
Das Fahrrad und die Bahn
Hier noch ein Tipp am Rande fürs Reisen mit der deutschen Bahn und einem Fahrrad: Kauft die Karten im Reisecentrum und nicht telefonisch, so spart ihr 3 Euro. Zudem hilft früh buchen sehr, denn gerade im Sommer sind die Fahrradstellplätze gerne ausgebucht.
Epilog #3: Ein besonderer Wegweiser zur falschen Zeit
Puh, das war es auch fast für diesen Beitrag. Eine Sache habe ich mir allerdings noch für ganz zum Schluss aufgehoben: Ein Schild, welches ich in Gedser direkt beim Beginn des Radwegs im Hafen (für mich direkt vor der Fähre nach Deutschland, für Leute aus Deutschland als erster Wegweiser in Dänemark) gefunden habe.
Ich will keine falschen Erwartungen aufbauen oder viel zu spezifische Hinweise geben, was ich nach dem Sehen dieses Schildes für einen Plan ausgeheckt habe – nur so viel: Nach dem Abitur habe ich eventuell Zeit und auf jeden Fall Lust, Skandinavien auch länger mit dem Rad zu erkunden – wo da nur die Reise hingehen könnte?
Hier noch eine Frage, die ich mir auf dem Weg nach Stralsund gestellt habe: Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Windräder in der Ferne (leider wegen den schlechten Lichtverhältnissen etwas unscharf) zufällig gleichzeitig leuchten. Hat jemand eine Idee, wie und warum sie das tun?
4 Current Opinions
Windräder: ich kann mir zwei Gründe vorstellen warum die synchron blinken:
1. die werden synchron mit dem Netz laufen, also 50Hz, und das ist dann auch optisch zu erkennen
2. es ist für Luftfahrzeuge einfacher und eindeutiger, die Gesamtheit der Windkraftanlage (n) zu erkennen und damit wesentlich sicherer
Toller Bericht, herzlichen Dank!
Hallo Thomas,
spannende Ideen, hab ich noch gar nicht aus dem Blickwinkel drüber nachgedacht!
Besten Dank,
Paul